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2001
Schloss Favorite Rastatt
Die Schauküche im Schloss Favorite erstrahlt im neuen Glanz

Eine besondere Attraktion im Jagd- und Lustschloss der Markgräfin Sibylla Augusta, Schloss Favorite, ist seit ehedem die Schauküche, die nun, nach einjährigen Bau- und Renovierungsarbeiten, im neuen Glanz erstrahlt.

Die junge Witwe des Türkenlouis ließ für sich und ihren Sohn, den Erbprinzen Ludwig Georg, der wegen seiner Jagdleidenschaft Jägerlouis genannt wurde, das Schloss Favorite errichten. Im Erdgeschoss wurden zwei Küchen eingerichtet: Eine unter dem Appartement ihres Sohnes, die Nutzküche, in der für die Herrschaften gekocht wurde, und eine unter ihren eigenen Räumen, eine Schauküche, in der sie ihre reiche fürstliche Sammlung an Fayencen und Geschirr präsentierte.

Sie folgte damit der barocken Mode, die Julius Bernhard von Rohr 1733 in der "Ceremoniel-Wissenschaft der großen Herren" so beschrieb: "...Über die ordinair-Zimmer (der Dames) werden vor diejenige, die vor andern Liebhaber von Künsten und von der Hauß=Wirtschaft sind, besondre kleine Küchen angerichtet, darinnen sie sich bißweilen gefallen lassen, ihre besondre Versuche anzustellen, und darinnen alles was man in einer Küche braucht, entweder von Silber oder von Porcelain, oder von einer anderen guten und nicht gemeinen Materie angetroffen wird."

Die Ausstattung einer Prunkküche als Repräsentationsraum kam aus Holland und wurde von protestantischen Fürstinnen und reichen Nürnberger Bürgerinnen übernommen. Es gab auch Gartenküchen, die nur mit Porzellan und Steingut bestückt waren.

Die historische Präsentationsart von Fayence- und Steinzeugsammlungen wurde von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg bei der Neueinrichtung der Küche wieder aufgegriffen, die hier die umfangreiche

Favoriter Sammlung von Fayencen früher europäischer Manufakturen, wie Delft, Hanau, Durlach und Straßburg, anhand ausgewählter, besonders qualitätsvoller Stücke präsentieren.

In den fünf Erdgeschossräumen, die an die Schauküche angrenzen, werden in den Raummitten in Sockelvitrinen die Highlights der Sammlung gezeigt, ohne den kellerähnlichen Raumeindruck des Erdgeschosses des Schlosses zu beeinträchtigen . Diese moderne Präsentationsart, die das Objekt in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, wird in der eigentlichen Prunkküche mit ihrer gemauerten Herdstelle und den historischen pyramidalen Gestellen und Schränken aufgebrochen. In dem "Kuchelgewölb" folgt man der barocken Präsentation mit dem Schwerpunkt auf der Masse, indem die gesamte Sammlung Hanauer Fayencen in diesem Raum zur Aufstellung kommt.

Einen besonderen Schwerpunkt in der neuen Ausstellung bilden die Fayencen aus Straßburg, die durch Markgraf Ludwig Georg in die Keramiksammlung gelangten und bis heute die Besucher faszinieren. Das so genannte "Schauessen" gibt es in keiner weiteren deutschen Sammlung in gleicher Qualität und Vielzahl. Der "Jägerlouis" hatte die Straßburger Fayencen zusammen mit einigen herausragenden Fayencen der Manufaktur Höchst zur Zier seiner Festtafel erworben, mit denen die von ihm so sehr geschätzten Hofjagden ihren festlichen Höhepunkt fanden. Der Kohlkopf ist Zeugnis aus der Blütezeit der Straßburger Manufaktur unter der Leitung von Paul Hannong. Der Keilerkopf sowie die vielen verschiedenen Vögel, die eigentlich die Funktion von Terrinen haben, erfreuen neben der skurrilen Schildkröte und den im 18. Jahrhundert außergewöhnlichen und teuren Pflanzen, wie Zitronen und Artischocken, noch heute das Auge des Betrachters.

Ein weiterer Raum ist den besonders erlesenen Delfter Fayencen gewidmet. Die Delfter Manufakturen waren berühmt für ihre allerbeste Nachahmung ostasiatischer, blau-weißer Porzellane. Die dünnen Scherben, wie das kräftige Blau waren Ausdruck dieser Qualität. Die Delfter Fayencen aus der Manufaktur des Samuel Eenhorn und Adrian Kocke in Schloss Favorite zählen zu den bedeutendsten Beständen ihrer Art, die sich in einer historischen

europäischen Sammlung erhalten haben. Möglicherweise ist der Grundstock dieser Sammlung Sibylla Augustas, ein Hochzeitsgeschenk ihrer Mutter, wie eine Nachricht des 19. Jahrhunderts festhält.

Den Delfter Fayencen begegnet der Besucher in einem nächsten Raum, der den Gartenkeramiken gewidmet ist. Hier sind vor allem Orangenkübel zu sehen, in denen zur Zeit der Markgräfin die kostbaren Zitronen- und Orangenbäumchen aufgestellt wurden. Unter dem seltenen Bestand von insgesamt 15 erhaltenen Zierkübeln, fällt das Paar Orangenkübel mit dem Wappen des englischen Königs Wiliam III. auf. Möglicherweise gehörten sie zu den opulenten Geschenken, die der Türkenlouis von seinem Aufenthalt am englischem Hof im Jahr 1694 seiner Gemahlin mitbrachte.

Zu guter Letzt ist ein ganzer Raum der Durlacher Fayencemanufaktur zugeordnet. Hier bestechen besonders zwei wunderbare Vasen mit ornamental durchbrochenen Deckeln und zwei Kandelaber mit Puttenarmen als Kerzenhalter, die einst im Karlsruher Schloss hingen.

Ein Besuch in der neuen, alten Prunkküche ist im Rahmen einer Schlossführung möglich und allemal lohnenswert. Sonderführungen zu diesem Thema sind auch angeboten.

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