„Man könnte sagen, die Zeichnungen
sind das Tagebuch seiner Imagination.“
Edmond und Jules de Goncourt 1865
Leichtigkeit und Eleganz kennzeichnen das Werk des französischen
Künstlers Jean-Honoré Fragonard (1732–1806)
ebenso wie Ausdruckskraft und Leidenschaft. Mit 80 Werken aus
renommierten europäischen Museen wird die Karlsruher Kunsthalle
den Künstler erstmals in Deutschland einer breiten Öffentlichkeit
vorstellen. Im Zentrum der Präsentation stehen die Arbeiten
auf Papier, in denen Innovationsfreude und gestalterische Kühnheit
Fragonards in besonderer Weise sichtbar werden. Ergänzt
werden diese durch ausgewählte Ölstudien und Gemälde.
Die Karlsruher Ausstellung lädt ein zur Entdeckung eines
der großen Zeichner des 18. Jahrhunderts, dessen Werk sich
zwischen Traditionsbezug und Modernität bewegt.
Der in Grasse geborene Künstler war zunächst Schüler
von Jean-Siméon Chardin (1699–1779) bevor er in
das Atelier von François Boucher (1703–1770) eintrat.
1752 gewann Fragonard den begehrten „Prix de Rome“ und
konnte dank dieses Stipendiums eine mehrjährige Italienreise
(1756–1761) antreten, die mit dem Studium der Meister des
Barock sowie der Landschaft in und um Rom prägend für
sein weiteres Schaffen wurde. Trotz eines ersten großen
Erfolgs in der Pariser Salonausstellung 1765 schlug er eine von
privaten Gönnern und Mäzenen geförderte Laufbahn
jenseits der Akademie ein und bewahrte sich damit seine künstlerische
Freiheit. Diese spiegelt sich in der thematischen und stilistischen
Breite seines OEuvres, das die wesentlichen Themen seines Jahrhunderts
umfasst: Landschaften und gesellig-heitere Szenen stehen neben
intimen Darstellungen von großer Sinnlichkeit sowie literarischen
und erzählerischen Sujets.
Fragonards Hinwendung zur Zeichnung folgt der zunehmend großen
Wertschätzung, die diese Gattung im 18. Jahrhundert erfuhr.
Gemäldegleich gerahmt und in den Salons der Öffentlichkeit
präsentiert, galt sie nicht mehr nur als Skizze oder werkvorbereitende
Studie, sondern fand als autonomes Kunstwerk Anerkennung.
In Fragonards Œuvre kommt dem Arbeiten auf Papier zeitlebens
eine wichtige Bedeutung zu. Im virtuosen Umgang mit Kreide und
Pinsel entwickelte er Kompositionen von sprühender Fantasie
und eindrucksvoller Gestaltungskraft. Thematisch und stilistisch
im 18. Jahrhundert verwurzelt und der Tradition des 17. Jahrhunderts
eng verbunden, entfaltete er jenseits schnelllebiger Moden ein
Werk von großer künstlerischer Eigenständigkeit,
das sich bereits bei seinen Zeitgenossen überaus großer
Beliebtheit erfreute.
Die Ausstellung setzt drei thematische Schwerpunkte:
Natur und Geselligkeit
Seit seiner ersten Italienreise zeichnete Fragonard im Freien.
Eine Vielfalt an Motiven fand er vor allem in den verwilderten
Gärten der Villa d’Este in Tivoli sowie in deren
Umgebung. Diese Studien bilden die Grundlage für die Darstellung
frei imaginierter lichtdurchfluteter Parkanlagen, die mit eleganten
Spaziergängern bevölkert sind. Dabei gewinnen Fragonards
Landschaften ihren Reiz aus dem Gegensatz zwischen überbordender,
geheimnisvoll-wilder und gezügelter, vom Menschen gestalteter
Natur.
Sensibilität und Leidenschaft
Fragonard beschäftigte sich sowohl mit genrehaften als
auch religiösen Themen. Seinen Darstellungen ist ein tiefes
Verständnis für zwischenmenschliche Beziehungen und
Konflikte eigen, das in Blicken und Haltungen anschaulich wird.
Auch interessierte sich der Künstler vielfach für das
Wechselspiel von Innen und Außen, von Verbergen und Sichtbar
machen. Entscheidend werden diese Aspekte gerade in den erotischen
Motiven, in denen sich dem Betrachter Einblicke in intime Situationen
bieten.
Inspiration und Poesie
Inspiration fand Fragonard nicht allein in den Werken der Alten
Meister oder in seinen Studien menschlichen Verhaltens, sondern
auch in der Literatur. Dies veranschaulicht eine Auswahl aus
den 179 meisterhaften Zeichnungen zu Ariosts „Rasendem
Roland“. In den dramatischen oder auch burlesken Szenen
zeigt sich die Lust des Künstlers am Fabulieren, die ihn
mit dem Autor des Versepos verbindet. In freien, meist lavierten
Kreidezeichnungen entwickelt Fragonard eine innovative Bildsprache,
die sich zwischen Beobachtung und flüchtiger Imagination
bewegt.
Ausgehend von den kostbaren Beständen des Karlsruher Kupferstichkabinetts
wird die Ausstellung in erster Linie das zeichnerische Werk des
Künstlers in den Blick nehmen, ergänzt um ausgewählte Ölstudien
und Gemälde. Ermöglicht wird dies dank der Unterstützung
internationaler Leihgeber wie des Louvre in Paris, der Albertina
in Wien, des British Museum in London und der Fundação
Calouste Gulbenkian in Lissabon sowie dank privater Sammler.
Kuratorin der Ausstellung: Dr. Astrid Reuter, unter Mitarbeit
von Juliane Betz
Katalog zur Ausstellung
Fragonard. Poesie und Leidenschaft
Mit Beiträgen von Juliane Betz, Marie-Anne Dupuy-Vachey,
Alexander Eiling,
Christine Ekelhart, Norbert Miller, Pia Müller-Tamm, Astrid
Reuter, Dorit Schäfer,
Martin Schieder.
Ca. 248 Seiten mit 230 farbigen Abbildungen
Deutscher Kunstverlag Berlin / München
Erscheint im November 2013
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