Die Ausstellung macht den Grundkonflikt zwischen Eleganz
und Ausdruckskraft sichtbar, der das bildhauerische Arbeiten
des 19. Jahrhunderts beherrscht - was der Titel "elegant
// expressiv" andeutet. Dargestellt wird weniger eine Abfolge
von Stilen als der Widerstreit künstlerischer Haltungen:
klassizistische Strenge gegen romantische Emotion, gefällige
Grazie contra bittere Satire, Konvention versus Freiheit.
Napoleons Kunstraub beflügelte um 1800 eine Antikenbegeisterung,
die Bildhauer der Aufklärung wie Houdon bereits ergriffen
hatte. Seine klassische Formensprache lebte bei jüngeren
Bildhauern wie Cartellier oder Pradier fort. Ihr zum Grazilen
neigender akademischer Stil beherrschte die Salonausstellungen
und öffentlichen Denkmäler. Gegen diesen Hang zum Klassischen
kämpften folgende Generationen immer wieder neu an. Von
der Romantik bis zur frühen Moderne forderten sie das Recht
auf Subjektivität ein: Spontaneität im Modellieren, Übersteigerung
von Gestik und Mimik, Aufeinanderprall von scheinbar Unvereinbarem,
ja selbst Hässlichkeit um der Wahrheit willen. Romantik
bedeutete in Frankreich nicht melancholische Meditation,
sondern befreite Ausdruckskraft. Dem unbändigen Talent des
jungen Rude gelang dies sogar bei einem großen Staatsauftrag:
Sein Monumentalrelief der "Marseillaise" am Pariser Arc
de Triomphe - in der Ausstellung durch einen Bozzetto präsent
- löst sich von antikischen Formeln und führt revolutionären
Aufbruch mitreißend vor Augen.
Der Preis für solchen Widerstand gegen Konventionen war
hoch. Vergessen wurde einer der eigenwilligsten Romantiker,
Préault, dessen Bedeutung erst Rodin erkannte. Für den Ausdruck
des Subjektiven musste ein Markt erst geschaffen werden.
David d'Angers fand mit Medaillons und Büsten berühmter
Zeitgenossen eine besondere Marktlücke. Ob Lord Byron, Johann
Wolfgang von Goethe oder Victor Hugo, seine zu Hunderten
modellierten und in Bronze gegossenen Bildnisse atmen eine
frappierende Vitalität. Dem erfolgreichen "Animalier" Barye
garantierte der Kunstmarkt mit dem Vertrieb kleiner Tierplastiken
seine Existenz.
Es ist zugleich die Zeit, in der die Plastik auch karikaturhafte
Züge annimmt - voller Witz, doch politisch unbedenklich
bei dem jüngeren Dantan, erbarmungslos kritisch bei Daumier.
Der Zensur wegen blieben dessen plastische Werke zeitlebens
im Verborgenen. Erst nach seinem Tode in Bronze gegossen,
inspirierten sie nicht nur Rodin. Als Paris im Zweiten Kaiserreich
eine große Wirtschaftsblüte erlebte, gelang Bildhauern wie
Carpeaux und Carrier-Belleuse sowie der durch ihr männliches
Pseudonym getarnten Künstlerin Marcello eine erstaunliche
Gratwanderung zwischen klassischen wie barocken Traditionen
und befreitem Selbstausdruck. Sie befriedigten die Sehnsucht
des Bürgertums nach repräsentativer Pracht.
Die vorausweisende Kraft seines späteren Werkes erstaunt
um so mehr, wenn man bedenkt, dass Rodin bei Carrier-Belleuse,
einem Meister der eleganten Form, in die Lehre ging. Der
Verzicht auf Harmonie, Regelbruch durch das Zusammenfügen
unterschiedlicher Fragmente und das Modellieren als Ausdruck
auch erotischer Energien - dies sind Neuerungen, durch die
er alle Bildhauer seiner Zeit überragt. Sein bedeutendster
Rivale Dalou verstand es, bürgerliche Genremotive in perfekten
Formen auszufeilen und für Arbeiterdenkmäler einen heroischen
Realismus zu entwickeln.
Rodin war es schließlich, der mit dem fragmentierten Körper
die Tür zum 20. Jahrhundert aufstieß. Doch wird der Weg
in die Moderne nicht eingleisig verengt. Er bleibt vielmehr
mit Degas' "14-jähriger Tänzerin" aus Dresden, Matisse'
übersteigerten Körperformen und Maillols klassischer Gegenbehauptung
verzweigt und durch Gegensätze bestimmt.
Führungen:
täglich, außer Montag, um 15 Uhr
Themenführungen:
Sonntag um 15 Uhr und Dienstag um 11 Uhr
Führungen in französischer Sprache:
Samstag um 14.30 Uhr