3/99


Ausverkauf in Donaueschingen

Fürstenbergische Schlossbibliothek wird in alle Winde zerstreut

Folgender Rundbrief erreichte uns über die Liste der Museums-Briefe:

Liebe Listen!

Ich möchte auf einen skandalösen Verlust von Kulturgut aufmerksam machen, der sich, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, dieser Tage vollzieht.

Der Abtransport hat bereits begonnen: Seit Anfang Juni wird fast der ganze Buchbestand der traditionsreichen Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek Donaueschingen (ca. 130.000 Bände) ins Ausland verbracht. Über den Käufer, ein angloamerikanisches Antiquariat, wurde Stillschweigen vereinbart. Nur ein Anstandsrest von etwa 10.000 Bänden, die Regionalliteratur, wird künftig im Fürstlichen Archiv nutzbar sein. Vor Ort regt sich kein Widerstand gegen den Vandalismus, denn der frühere Eigentümer, der Fürst von Fürstenberg, ist nach wie vor äußerst einflußreich. Der Leiter des Archivs, zugleich Vorsitzender des örtlichen Geschichtsvereins "Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar", lehnt jegliche Stellungnahme ab.

Man fühlt sich an die barbarischen Szenen vor knapp zweihundert Jahren erinnert, als die Säkularisation geschlossene und reiche Klosterbibliotheken als Ensembles zerstörte. Für Petr Masek vom Prager Nationalmuseums ist die Donaueschinger Hofbibliothek "eine der größten und schönsten Schloßbibliotheken". Der Betreuer von über 300 denkmalgeschützten böhmischen Schloßbibliotheken weiß, wovon er spricht, ist er doch vor einigen Jahren der Herkunft der Donaueschinger Druckschriften nachgegangen. Undokumentiert der Vernichtung durch den Einzelverkauf preisgegeben werden nicht nur die Reste frühneuzeitlicher Adels- und Klosterbibliotheken, allen voran die Buchbestände des einst bibliophilen Hauses Fürstenberg, sondern auch das Gros der 11.000 Bände des bedeutenden Germanisten Joseph von Laßberg (1770-1855). Der Schwager der Dichterin Anette von Droste-Hülshoff hatte seine Bibliothek, die nicht nur aus Handschriften, sondern auch aus Druckschriften bestand und durchaus als national wertvolles Kulturgut bezeichnet werden könnte, 1853 dem Fürstenhaus verkauft, damit sie geschlossen erhalten bliebe. Seine nun zerstörte, im Bestand ohne weiteres rekonstruierbare Büchersammlung, Handapparat eines international renommierten Altertumsforschers, wurde bislang unter buch- und wissenschaftsgeschichtlichen Aspekten nicht erforscht. Durch den Verkauf verschwinden handschriftliche Einträge Laßbergs oder ihm zugedachte Widmungsexemplare. Ebenso werden aus anderen Provenienzen unzählige frühneuzeitliche Besitzeinträge, eine herausragende kulturgeschichtliche Quelle, für die Forschung nicht mehr greifbar sein. Vernichtet wird ein Ensemble, ein beziehungsreiches Ganzes, in dem vielfältige aufschlußreiche Querverbindungen zwischen den Büchern bestehen. Die Stiftung Kulturgut des Landes Baden-Württemberg hatte angesichts der Bedeutung der Bibliothek eine Inventarisierung des Bestandes geplant, was nun durch den Verkauf vereitelt wurde.

Der Ausverkauf hatte in den 1980er Jahren begonnen, als 20 wertvolle Handschriften bei Sotheby's versteigert worden. Es folgten heimliche Verkäufe illustrierter Drucke im Antiquariatshandel. 1993 verkaufte das Haus Fürstenberg die Handschriften - mit Ausnahme der Laßbergschen Nibelungenliedhandschrift - an das Land Baden-Württemberg. In alle Welt zerstreut wurde im Juli 1994 die bedeutende Inkunabelsammlung, in der sich unter anderem die erhaltenen Reste der Klosterbibliothek der Villinger Franziskaner (90 Bände) befanden. Während das Land sich jetzt für den Ankauf der Musikhandschriften und Musikalien entschied, lehnte es ein überhöhtes Übernahmeangebot der restlichen Bibliothek ab.

Die Kette eklatanter Fehlentscheidungen der zuständigen Stellen des Landes Baden-Württemberg, die die bisherigen Verkäufe ermöglicht hatte, riß auch in den vergangenen Wochen nicht ab. Während bei archäologischen Funden Notgrabungen selbstverständlich sind, nimmt man die Zerstörung eines hochrangigen Kulturdenkmals achselzuckend hin. Der Eigentümer soll offenbar möglichst wenig behelligt werden. Hatte man im Fall der Markgrafensammlung von Baden-Baden 1995 wenigstens eine vorläufige Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz vorgenommen, um eine Inventarisierung zu ermöglichen, beruft man sich seitens des für den Denkmalschutz zuständigen Wirtschaftsministeriums (!) auf ein seinerzeitiges "Gutachten" von ca. 1984, das in zwei Sätzen und ohne Erwähnung der Laßbergschen Bücher die Denkmaleigenschaft der Bibliothek als Sachgesamtheit verneinte - aus fachlicher Sicht absolut unhaltbar. Auf einer am 2. Juni einberufenen Besprechung mit Bibliothekaren und Vertretern des Landesdenkmalamtes mußten diese wider besseres Wissen das ministeriell gewünschte Resultat abnicken. Das Wissenschaftsministerium sieht keine Veranlassung, wegen einer nach wie vor möglichen Bestandsaufnahme der verkauften Bücher auf den neuen bzw. alten Eigentümer zuzutreten. Über die Abstimmung der Kaufinteressen bei einem Erwerb der wohl auf den Antiquariatsmarkt gelangenden Bücher durch wissenschaftliche Bibliotheken oder andere öffentliche Institutionen in und außerhalb des Landes hat man sich ebensowenig Gedanken gemacht. Man kann und will nichts mehr tun - der unbezifferbare Schaden für die Forschung spielt keine Rolle. Vielleicht gibt es ja irgendwann ein mit viel Geld finanziertes Forschungsprojekt "Virtuelle Rekonstruktion der Hofbibliothek Donaueschingen" ...


2. Mail

Fuer das positive feedback in privaten und öffentlichen mails möchte ich mich bedanken.

Inzwischen konnte ich Angaben ueber den Käufer der Bücher von Donaueschingen ermitteln. Es handelt sich um ein Konsortium aus Heritage, Los Angeles

http://www.heritagebookshop.com/

und Schapiro (?), London - genauere Angaben fehlen mir noch. Wer kann helfen und ggf. dort anfragen?

Derzeit werden die Bücher an Antiquariate verteilt. In Deutschland hat Reiss in Königsstein

http://www.reiss-sohn.de

wohl den grössten Brocken erhalten. Es sind mehrere Versteigerungen geplant, die erste Auktion 68 19-23.10.1999 mit Besichtigungsmöglichkeit etwa ab dem 1. Oktober.

Was können Sie tun? Beteiligen Sie sich an den Planungen, wie man weiter vorgehen sollte! Leiten Sie diese mail und meine Ursprungsmail weiter! Diese ist unter

http://www.geocities.com/~aristipp/ kulturgut.htm

im www zugänglich!

Was kann meines Erachtens getan werden?

1. Bei Vorbesichtigungen können Provenienzen und andere buchgeschichtlich wichtige Daten festgehalten werden, eventuell auch kopiert. Eine Bibliothek sollte diese Daten dokumentieren (ich verfüge über von Josef Nolte, derzeit Univ. Hildesheim, seinerzeit in Donaueschingen kopierte Titelblätter und weitere Aufzeichnungen aus Donaueschingen; Petr Masek in Prag besitzt umfangreiche Aufzeichnungen über Provenienzen.)

2. Bibliotheken und öffentliche Institutionen können sich abstimmen, wer welche Bücher zu ersteigern versucht. Dabei sollten Provenienzen Beachtung finden (z.B. Lassberg). Gelder müßten organisiert werden!

Freundliche Grüße Klaus Graf (graf@uni-koblenz.de)


Klaus Graf schrieb bereits 1995 in der Badischen Heimat (75, 1995, S. 319-331) über den drohenden Verlust dieses Kulturguts. Sein Artikel, ergänzt um eine aktuelle Stellungnahme zur Eigenschaft der Laßbergschen Bibliothek als Kulturdenkmal, ist online verfügbar: http://www.uni-koblenz.de/~graf/don.htm

Zu unserer Recherche über die Vorgeschichte dieser Aktion
Badische Heimat e.V.
Bezirksgruppe Bergstraße - Neckartal (Heidelberg)

 


Zurück: Startseite