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Archäologischer Stadtkataster Bad Wimpfen (2018)

Titelblatt des BandsBereits im 16. Jh. wurden erste archäologische Funde in Form römischer Inschriften bekannt gemacht. Seit den 1960er-Jahren erfuhr die archäologische Forschung nicht zuletzt durch das große Engagement des heimatgeschichtlich ambitionierten Bürgers Hans Heinz Hartmann einen neuen Schub. Allein aus dem historischen Siedlungsbereich, der das Untersuchungsgebiet bildete, waren über 80 archäologische Fundstellen zu verzeichnen. Der Band enthält außerdem einen Katalog, der unter der Überschrift Historische Topographie über 200 Objekte beschreibt und kartiert, die im Kontext der mittelalterlich-frühneuzeitlichen Besiedlung sowohl in der Berg- als auch in der Talstadt neben den spätmittelalterlichen Befestigungswerken eine herrschaftliche, administrative, kirchliche oder wirtschaftliche Rolle gespielt haben.

Mit dem Namen Bad Wimpfen lassen sich aus archäologischer Sicht neben einigen vor- und frühgeschichtlichen Fundstellen vor allem Zeugnisse aus provinzialrömischer Zeit verbinden: Durch die seit dem 19. Jh. in großer Zahl in der Talstadt untersuchten Fundstellen ist die Ausdehnung des ummauerten Vicus bekannt geworden. In ihrem Vortrag griff Dr. Kulessa beispielhaft die nach wie vor offene Frage nach dem genauen Standort des Kastells auf. Zahlreiche Erkenntnisse zur Siedlungsentwicklung des römischen Vicus konnten insbesondere durch Untersuchungen der 70er und 80er-Jahre gewonnen werden. Eine älteste Holzbauphase, die durch einen Brand zerstört wurde, war überwiegend handwerklich-gewerblich geprägt. Mit dem Wiederaufbau mit Steingebäuden, die teils mit großräumigen Kellern versehen waren, lässt sich zugleich ein Wandel der Nutzung und der Sozialstruktur beobachten: Nun hatten sich hier überwiegend Händler und Kaufleute angesiedelt. Zur Zeit des Limesfalls wurde der Vicus wohl systematisch verlassen, eine Zerstörung lässt sich nicht feststellen. Bei den Grabungen wurden auch einige frühalamannische Funde geborgen, doch ist eine zweifelsfreie Besiedlungskontinuität bisher nicht erwiesen. Einer teils unklaren spätmittelalterlichen Überlieferung nach wurde Wimpfen möglicherweise im 5. Jh. von den Hunnen zerstört. Erst in der späten Merowingerzeit zeichnet sich wieder eine gesicherte Siedlungstätigkeit ab: Südlich der Talsiedlung, kennt man mit Beigaben ausgestattete merowingerzeitliche Gräber des 6. und 7. Jh.

Im 9. Jh. n. Chr. kam Wimpfen in den Besitz der Bischöfe von Worms und wurde im Jahr 829 als Wimpina erstmals urkundlich erwähnt. Im 10. Jh. drangen die Ungarn in den Neckarraum vor und zerstörten neben anderen Siedlungen mutmaßlich auch Wimpfen. In der lokalen Überlieferung werden allerdings die Einfälle der Hunnen und Ungarn miteinander vermischt. Letztendlich könnte nur die Datierung archäologisch dokumentierter Zerstörungshorizonte Klarheit schaffen, wann und in welchem Umfang die Siedlung zerstört wurde. Durch Grabungen belegt ist zumindest, dass im 10. Jh. die Stiftskirche St. Peter als größerer Kirchenneubau an der Stelle einer Vorgängerkirche errichtet wurde.

Auch in der Bergsiedlung, vor allem im Umfeld um die heutige Stadtkirche sowie im Pfalzgelände wurden frühmittelalterliche Keramikscherben gefunden, sodass auch hier von einer präurbanen Besiedlung auszugehen ist. Befunde, wie z. B. Grubenhäuser sind zwar bisher nicht bekannt, könnten jedoch noch bei zukünftigen Untersuchungen dokumentiert werden. Möglich ist zugleich auch, dass die Pfalz von den Staufern anstelle einer älteren Befestigung errichtet wurde.

Panorama der Stadt vom Blauen Turm aus

Der Baubeginn der Pfalz lässt sich nach archäologischen Untersuchungen bereits in die Zeit um 1150 datieren. Die meisten der heute noch erhaltenen Bauten stammen aus der Zeit um 1200. Die Stauferpfalz in Wimpfen ist die größte erhaltene Königspfalz nördlich der Alpen. Wohl etwas später errichtete der Bischof von Worms einen Hof in der Bergstadt. Dieser wurde gewissermaßen als Gegengewicht zur Stauferpfalz auch als „Bischofspfalz“ bezeichnet. Die Pfalz und die sie umgebende Siedlung wuchsen in der Folgezeit stark an, sodass das staufische Wimpfen am Berg deutlich schneller an Bedeutung gewann als die ungleich ältere Talsiedlung. Der genaue Stadtgründungszeitpunkt ist nicht bekannt. 1224 werden in einer Urkunde die Bürger der Stadt als „cives“ bezeichnet, ein Begriff der vielleicht auf Bürger einer ummauerten Stadt hinweisen könnte. Die Bedeutung der Stadt für das Königtum ergab sich nicht zuletzt aus ihrer Position in der Durchgangszone vom Mittelrhein, entlang des Neckars in das Herzogtum Schwaben. Nach dem Niedergang der Stauferdynastie wurde Wimpfen um das Jahr 1300 zur Reichsstadt.

Der Stadtkatasterband beschreibt außerdem auch wesentliche Elemente des Sozialgefüges in den beiden spätmittelalterlichen Siedlungen, als auch ihres Wirtschaftslebens und ihrer Verkehrslage: so etwa die Lage Wimpfens an einem alten Neckarübergang, an dem sich bis um 1300 eine Brücke befand, die durch Eisgang zerstört wurde.

Auch die Grundzüge der Wimpfener Kirchengeschichte werden behandelt, wobei das Hauptaugenmerk auf ihre baulichen Ausprägungen gerichtet ist, z. B. auf den teilweisen Neubau der Ritterstiftskirche im Spätmittelalter oder die Anlage des Dominikanerklosters am Rand der Bergstadt.

Während Wimpfen im frühen 16. Jh. von Zerstörungen der Bauernkriege zwar bedroht war, sich diesen aber entziehen konnte, stand es während des Dreißigjährigen Krieg mehrfach im Zentrum des Geschehens: 1622 trafen unweit der Stadt die Truppen des kaiserlichen Generals Graf von Tilly und das Heer des Markgrafen Georg Friedrich von Baden-Durlach aufeinander. Die Schlacht bei Wimpfen war eine der bedeutendsten und verheerendsten des Dreißigjährigen Krieges. Im Zusammenhang mit diesem Ereignis entstanden in Umfeld der Stadt verschiedene Befestigungsanlagen und Schanzen, deren Überreste heute noch als archäologische Objekte im Boden erhalten sind, wie z. B. eine Sternschanze auf dem Altenberg.

Nach der Auflösung des Alten Reichs am Beginn des 19. Jh. wurde Wimpfen innerhalb der neu geschaffenen staatlichen Ordnung zur Exklave des Großherzogtums Hessen. Eine Industrialisierung ist hier zu Beginn des Jh. mit Gründung der Saline Ludwigshalle eher nur verhalten in Gang gekommen.

Das Kapitel Stadtbewertung unter archäologischen Gesichtspunkten stellt das Resümee der Untersuchung dar, indem es die archäologisch relevanten Bereiche für die künftige denkmalpflegerische Betreuung Bad Wimpfens charakterisiert; die einzelnen Flächen sind auf einem eigenen Plan deutlich gekennzeichnet. Trotz aller modernen Veränderungen hat Bad Wimpfen noch großenteils seine im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit entstandene Straßen- und Quartiersstruktur behalten, sodass auf den Grundstücken innerhalb der historischen Siedlungskerne beider Ortsteile insgesamt noch ein dichtes archäologisches Potenzial überliefert sein dürfte.

Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg, Band 40 Bad Wimpfen
Herausgegeben vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart
351 Seiten mit 268 Abbildungen und 6 Kartenbeilagen
40,00 €, ISBN 978-3-942227-33-9

Buchinformation Landesamt für Denkmalpflege im Reg.-Präs. Stuttgart

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