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Kleines pfälzisches Wörterbuch

Pfalz und Kurpfalz

Hääm oder Hôôm – die alte Frage

Rudolf Post: Kleines pfälzisches Wörterbuch. Pfalz und KurpfalzDer Rezensent, vor Jahrzehnten im Raum ztwischen Mannheim und der Bergstraße migrierend, fragt sich das schon lange, ob man hier, rechts des Rheins, hääm geht oder hôôm.

Derart ins Detail geht das "Kleine pfälzische Wörterbuch" aus der Edition Tintenfass nicht. Gemäß den in der Einleitung formulierten Grundsätzen soll es auch nur "einen ersten Ein- und Überblick in den Wortschatz und die Mundarten der Pfalz bieten". Vollständigkeit bleibt damit nach wie vor dem sechsbändigen wissenschaftlichen Wörterbuch mit seinen 70.000 Einträgen vorbehalten.

Der dargestellte Sprachraum wird schon im Titel mit "Pfalz und Kurpfalz" umschrieben. Dem Landeshistoriker stellen sich hier natürlich schon einmal die Haare zu Berge, denn die "Kurpfalz" wird damit auf die Region Mannheim und Heidelberg verkürzt. Weinheim, Wiesloch, Heidelbergs Hinterland in Neckartal und Odenwald bleiben draußen.

Dabei zeigt gerade das Kapitel zur Lautgeografie im Anhang, dass die Lautgrenzen nicht etwa das Pfälzische von anderen Dialekten des Südwestens abgrenzen. Die Grenzen gehen mitten durch. Und interessanterweise sind sie allenfalls in Ausnahmen durch politische oder herrschaftliche Traditionen bestimmt.

Dieser Abschnitt des Buchs ist auch für den Nicht-Pfälzer durchaus interessant. In 14 Einzelkarten zur lautlichen Abgrenzung verschiedener Dialektformen innerhalb des Pfälzischen werden Grundzüge und allgemeine Feststellungen deutlich gemacht. Interessant dabei die Phänomene von Rhotazismus und Lambdazismus, die einzelnen fränkischen Dialekten gemeinsam sind (d wird zu r oder l). Der Odenwälder nennt sich selbst "Oureweller", der Ladenburger nennt sich "Looreberjer". Beide Belege fehlen.

Den rechtsheinischen Dialektsprecher schmerzt es, die eigene Vokalform von "ich habe" "isch hebb" ignoriert zu sehen. Ist die rechtsrheinische Kurpfalz in dem Buch nur ein Feigenblatt? Ist es im Wesen doch ein innerpfälzisches Wörterbuch, das die Kurpfalz als historische Größe letztlich doch nicht mehr kennt? Da würde dann doch die Grenzziehung am Rhein zwischen dem "Pfalzischen Wörterbuch" und dem "Badischen Wörterbuch" nachwirken.

Der Hauptteil des Wörterbuchs besteht aus dem Wortlexikon selbst – 141 Seiten von A wie a ("der erste Buchstabe") bis Z wie Zwockel. Der wird als "Neckname für die Bayern" definiert, ist aber nach dem Rheinischen Wörterbuch (und so auch dem Rezensenten bekannt) ein "im Wachstum zurückgebliebener Mensch Knirps; schlapper Kerl" und sprachlich vermutlich mit dem "Zwerg" verwandt.

Test: Duwwe /Dubbe – nicht drin. Kein Pfälzer Weinfest, kein Pfälzer ohne Dubbe.

Alla ist drin. In Mannheim alla gut, alla hopp. Kommt vom französischen allez.

Allegebot ist auch verzeichnet. Das heißt nicht, wie der Rezensent immer zu hören bekommt "allegeburt", sondern kommt von alle gebot (Gebot = das Grüßen).

Allein ist mit den verschiedenen Vokalformen aufgelistet, aber nicht mit den rechtsrheinischen Form "allôônt" (Plankstadt).

Zufällig aufgeschlagen: Buchstabe K – "Krakeel". Dass der Pfälzer krageele sagt, versteht sich von selbst, das Wort selbst ist nicht unbedingt, wohl aber die Redewendung "den Hut auf Krakeel sitzen haben" speziell pfälzisch. Darunter "Kram". Als Wort nicht sehr speziell, verbreitet wird "Kraam", in der Südwestpfalz auch "Kruum" gesprochen. Dann krammen/krämmen für "heftig kratzen". Kennt der Rezensent auch aus dem Niederalemannischen ("där het mich 'krämmt!").

Buchstabe N – "nicht". Die Lautformen "nit" und "net" sind wiedergegeben, eine Kuriosität wäre das in Mannheim übliche verhochdeutschte "nischt".

"Nichtsel". Der Eintrag offenbart die Schwierigkeit des Eintragens selbst. Sucht man jetzt unter der Lautform, dann wäre "Nixel / Nigsel" maßgeblich – das hochdeutsche "Nichtsel" gibt es aber nicht. Die Redewendung "en Silwernigsel un en goldisch waateweilsche" kennt immerhin auch der Rezensent.

Unter vielen anderen Beispielen zeigen auch die beiden folgenden Wörter "nieder" und "nimmeh" (jetzt inkosequenterweise unter der Lautform eingetragen) den Formenreichtum der verschiedenen Spielarten des Pfälzischen.

Unter "Nürst" (Ihrscht/Ehrscht) findet sich dann auch eine spezielle lexikalische Pfälzer Bildung, von denen es auch zwischen Odenwald und Saarland einige gibt. Nürst ist die hölzerne Wurfschaufel. Da darf man nicht fragen, ob man das jemals braucht. Aufschreiben heißt hier, vor dem Vergessen bewahren.

Und das ist einer der Haupt-Vorteile des Buchs. Nachsehen, was das Hochdeutsche alles schon verschlungen hat. Und: Nicht nur nachschlagen, was der Dialekt sprechende Nachbar eigentlich sagt, sondern auch nachschlagen, wie es drei, vier, fünf Dörfer weiter ausgesprochen wird. Ein ganz kleiner Beitrag zur Toleranz.

Der Autor
Rudolf Post war 1982-1997 Leiter der Arbeitsstelle "Pfälzisches Wörterbuch" an der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur und ab dem 4. Band verantwortlich für die Herausgabe des "Pfälzischen Wörterbuchs". Nach Abschluss des Pfälzischen Wörterbuchs wechselte Rudolf Post zum Badischen Wörterbuch, wo er von 1998 bis 2009 die Leitung dieser Arbeitsstelle an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg innehatte.Seit 1986 Mitglied der Jury des Bockenheimer Mundartdichterwettstreit. Autor einiger Veröffentichungen zum pfälzischen Dialekt, zur Mundartdichtung und zum Bockenheimet Mundartdichterwettstreit.

Rudolf Post: Kleines pfälzisches Wörterbuch. Pfalz und Kurpfalz.
3. aktualisierte Auflage
Edition Tintenfass, Neckarsteinach, 2011
ISBN 978-3-937467-30-6
16,90 €

 

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