Rezensionen


 

Borchardt-Wenzel, Annette: Karl-Wilhelm und sein Traum von Karlsruhe. Ein Badener im großen Welttheater.
Gernsbach: Katz 2013, 384 S., ISBN 978-3-938047-66-8, 26,80 €

 

Es ist schon überraschend, da warten Wissenschaftler und Laien seit fast 300 Jahren auf eine umfassende Biografie des vermeintlichen Stadtgründers von Karlsruhe - und da erscheinen in kurzen Zeitabständen nun gleich zwei: die eine von Hans Merkle im Jahr 2012 zur 900-Jahrfeier von Baden und im Jahr 2013 die vorliegende, kurz vor Karlsruhes 350. Geburtstag. Beide Autoren haben ihr Buch nicht als Wissenschaftler geschrieben, somit auch nicht für diese, sondern für das sog. breite Publikum. Sie erwecken aber mit dem wissenschaftlichen Apparat ihrer Bücher den Anschein, der Wissenschaft zumindest sich zugehörig zu fühlen. Borchardt-Wenzel zeigt dies mit einem 14-seitigen, weit ausladenden Literaturverzeichnis mit 200 Quellenangaben, setzt dieses fort mit einem 18-seitigen Anmerkungsverzeichnis mit über 800 Zitaten oder Fußnoten und beendet diesen wissenschaftlichen Apparat mit einem zehnseitigen Register mit fast 300 Eintragungen unter Vermeidung von allzu Populärem oder Romanhaftem. So fehlt auch das vor über 20 Jahren erschienene und von den Karlsruhern gern gelesene Buch ihres früheren Kollegen Toni Peter Kleinhans mit seinem Tulpenmädchen-Roman, obwohl die Art und Weise ihrer Kapitelüberschriften stark an die von Kleinhans erinnern.

Geburt, Ausbildung, Kriegsdienst, Jagd und Hochzeit sind die Themen vor Regierungsantritt. Dieser erfolgt nach dem Tod des Vaters 1709 und setzt Karl-Wilhelm in die Lage, eigene Träume zu verwirklichen. Borchardt-Wenzel ist dabei als studierte Historikerin vorsichtig genug, anders als Merkle, sich nicht festzulegen, ob der Regent schon mit der Realisierung eines Traumes nach der Jagd im Hardtwald mit einer neuen Residenz Karlsruhe liebäugelte, oder ob es sich anders verhalten hat, wie z. B. Gottfried Leiber es nachwies, dass Karlsruhe als Folge der Schlossgründung sich durch Ansiedlung von Bauleuten ergab?

Dann folgen die bekannten Schritte, das Anlocken von Bauarbeitern mittels Privilegien, was die bisherigen Untertanen auf den Plan rief und zu Auseinandersetzungen z. B. mit den Pforzheimern führte. Die Ansiedelung in Häusern entlang eines sternförmigen Stadtgrundrisses auf steuerfreien Grundstücken, Toleranz gegenüber anderen Religionen, was Gegenpositionen bei der lutherischen Bevölkerung hervorrief. Aber Karl-Wilhelm machte nicht nur durch solche Duldsamkeiten von sich reden, sondern auch durch Neuordnung der Verwaltung und Sanierung der Staatsfinanzen, aber ebenso durch sein Privatleben, das beide Autoren nach einem Brief der Liselotte von der Pfalz den »Ri- dicule Serail« nennen, über den man allerdings nur leise spricht. Alles in allem ein faktenreiches, aber anekdotenfreies Bild eines barocken Landesfürsten, das nicht nur die Person selbst zeigt, sondern gleichzeitig die Umstände und Umwelt seiner Zeit, in der er lebte und das für das breite Publikum spannend und lesenswert aufbereitet ist.

Dr.-Ing. Rolf Fuhlrott

4/2014
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