Der Heimatverein Kraichgau lud am 21. Juni 2011
in den historischen Sitzungssaal des Rathauses Bruchsal, um die
neueste Sonderveröffentlichung vorzustellen. Mit 60 Teilnehmern
war das Echo bei einem so schwierigen Thema sehr groß.
Kraichgau TV führte ein Interview, das auf »Landfunker.de« im
Internet zu sehen ist. Die Begrüßung machte Stadtarchivar
Thomas Moos, Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick
fand äußerst lobende Worte und der Vorsitzende des
Heimatvereins, Bernd Röcker, sorgte mit seinem Kurzvortrag »Kriegerdenkmale
als Ausdruck kollektiver Erinnerung« für die geschichtliche
Einordnung.
Die Oberbürgermeisterin zeigte sich gut vorbereitet, stellte
die anschauliche Aufbereitung des Buches heraus, mit dem besonders
auch die junge Generation angesprochen werde, für die die
Schrecken der Kriege in weiter Entfernung liegen.
66 Jahre nach dem Ende des schrecklichsten aller Kriege liegt
nun eine umfassende und durchgehend bebilderte Dokumentation
vor uns, die die Erinnerung an Trauer und Leid wach hält.
Wieso kommt es eigentlich so spät? Jahrzehnte der Geschichtsvergessenheit
mussten ins Land gehen. Nur nicht daran rühren und erinnern
war oft die Devise.
Drei Jahre hat Häcker an seinem Buch gearbeitet, streifte
unermüdlich mit Kamera und Notizbuch durch das Land, sprach
mit Gemeindevertretern, Pfarrern, Kirchendienern, Lehrern, Friedhofsbesucher
und Passanten auf der Straße; führte ungezählte
Telefonate und schrieb E-Mails ohne Ende - oft bekam er keine
Antwort. »Bei uns gibt’s nix« oder »Unser
Bürgermeister ist neu, der kennt sich noch nicht aus«.
In vielen kleinen Gemeinden des Kraichgaus war das Geschichtsbewusstsein
unterentwickelt, in den größeren war die Unterstützung
mit Daten und Fakten in der Regel besser, wofür sich Häcker
in seiner Rede herzlich bedankte.
Oft war leider festzustellen, dass die Menschen mit dem Begriff »Kriegerdenkmal« nichts
anzufangen wussten, oder gar eine Kriegsverherrlichung darin
sahen. Dies war auch der Grund, wieso nach dem Kriege die Denkmale
wegen Straßenbaumaßnahmen leichtfertig zerstört
wurden oder im besten Falle auf dem Friedhof oder in der Aussegnungshalle
neu aufgestellt wurden.
Leider werden die Denkmale nicht immer respektvoll behandelt.
Sie sind teilweise mit Gestrüpp oder Rasen zugewachsen,
die Schriftzeichen mit den Namen der Toten sind mit Flechten
und Moos überdeckt - und niemand scheint es zu stören.
Zeichen der Siege, wie es im Buchtitel heißt, sind deutlich
in der Unterzahl und beziehen sich auf den Krieg 1870/71. Ganz überwiegend
sind die Zeichen der Trauer für die Toten der beiden Weltkriege.
Im Zuge seiner Recherchen kam Häcker zu dem Ergebnis, dass
es im Kraichgau 350 Gräber von deutschen Soldaten gibt -
viel mehr als erwartet. Die Gräber sind alle aus dem Jahr
1945, als die Soldaten während des Rückzuges fielen.
Deutsche Soldatengräber aus der Zeit des 1. Weltkrieges
existieren im Kraichgau nicht, da die Soldaten außerhalb
Deutschlands fielen.
Insgesamt kommt Häcker im Kraichgau auf über 31 000
Kriegstote. Davon entfallen auf 1870/71 201, auf 1914-18 10158
und auf 1939-45 20789 Kriegstote. Die Statistik kann aber nicht
vollständig und allumfassend sein, dazu sind die zu Grunde
liegenden Zahlen der eingesehenen Unterlagen mit vielen Unsicherheiten
behaftet. Wenn man zu den Kriegstoten die Zahl der betroffenen
Familienmitglieder zählt - denn oft handelte es sich bei
den Toten um den wesentlichen Ernährer der Familie, auf
dem alle Zukunftshoffnungen ruhten - dann wird klar, wie viel
Leid, Trauer und Elend die Menschen im Kraichgau, wie auch in
Deutschland und den anderen Ländern durch die Kriege zu
ertragen hatten.
Umso wichtiger ist es, die Zeichen der Trauer mit Respekt zu
behandeln, die kollektive Erinnerung wach zu halten, und die
wesentliche Botschaft der Kriegerdenkmale zu beherzigen: Frieden
zu halten unter den Menschen.
Dieter Müller |