Rezensionen


Unser Schwarzwald. Romantik und Wirklichkeit. Katalog zur Ausstellung im Augustinermuseum Freiburg 2011. Herausgegeben von den Städtischen Museen Freiburg. Petersberg: Michael Imhof Verlag 216 S., 320 Abbildungen ISBN 978-3-86568-641-1 € 24,95

Bereits im vorigen Heft Nr. 2 dieser Zeitschrift haben wir auf diese sehenswerte Ausstellung »Unser Schwarzwald« im Freiburger Augustinermuseum hingewiesen, die noch bis zum 30. September 2011 zu sehen ist. Die Ausstellung präsentiert eine große Auswahl der »Schwarzwald-Bestände« der kulturhistorischen Sammlungen des Museums, das jetzt nach Abschluss des 2. Bauabschnitts seiner Umbauarbeiten dazu wieder in der Lage ist, nach über 30 Jahren diese Bestände zu zeigen, wobei man unbedingt vermeiden will, in die alten Klischees von Bollenhut und Kuckucksuhr zu verfallen, sondern mit ihr und dem Katalog neue, wie man meint, moderne Wege einzuschlagen. Da fragt sich der aufmerksame Leser und Betrachter gleich, wieso man dann für Plakat und Umschlag-Titel gerade das Bild eines Gutacher Bollenhutes gewählt hat?

Aber der Reihe nach. Der Rezensent kennt natürlich die Schwierigkeiten beim Besprechen von Ausstellungskatalogen, da Ausstellung und Katalog nie deckungsgleich sind. Was man beim Katalog vermisst, wird oftmals in der Ausstellung geboten und umgekehrt. Meist sind die Kataloge auch keine Ausstellungsbegleiter mehr - dazu sind sie viel zu schwer (hier 1,2 kg) - sondern stellen ein eigenes, wissenschaftliches Instrument dar, das mehr außerhalb der Ausstellung befragt wird und meist auch mehr Antworten gibt als die Ausstellung selbst, wenn auch die Literaturangaben ein wenig alt erscheinen! Trotzdem bleibt gleich beim Lesen des Titels die Frage offen, auf wen sich ,Unser1 bezieht? Das wird man vielleicht nach eingehendem Lesen des Katalogs in Erfahrung bringen?!

Dieser beginnt mit zwei einstimmenden Essays über die Winterlandschaft des Schwarzwaldes und den Erinnerungen eines Volkskundlers an seine Freiburg- Zeit. Ob das schon der angekündigte moderne Ansatz der Ausstellungsmacher sein soll, mögen die Leser entscheiden! Katalog und Ausstellung sind dann in sieben Themenbereiche gegliedert, unter deren Titeln sich der Leser aber nur vage etwas vorstellen kann. Es beginnt mit »Wild. Romantisch«, gefolgt von »Mobil. Erfolgreich«, weiter mit »Natürlich. Fromm« bis hin zu »Echt. Authentisch« und endet mit »Sportlich. Touristisch«, also alles nicht unbedingt typische Charakterisierungen des Schwarzwaldes. Nun sind diese Themenbereiche weiter untergliedert durch Schlagworte, meistens zehn je Themenbereich, aber auch hin bis zu 27 beim Thema »Mobil. Erfolgreich«. Insgesamt sind es knapp 100 Schlagworte die auf ca. 200 Seiten
abgehandelt werden, je Schlagwort also 2 Seiten, abzüglich der Bilder ergibt einen Text von etwa einer Seite je Schlagwort. Man kann sich vorstellen, dass auf so einer Seite das Thema nur angerissen werden kann. Leider kann man auch nicht gezielt suchen, da man nicht weiß, was sich hinter den Schlagwörtern verbirgt, z.B. Abenteuer, Ängste, Arbeitssicherheit, Repräsentation, Schutzmächte oder Standardisierung. Andere dagegen sind eher verständlich wie Hofleben, Holz, Landesherren, Reiseführer, Uhrmacherei oder Waldberufe. Zum Auffinden dieser muss man allerdings den ganzen Katalog durchblättern, da ein dringend benötigtes Register fehlt, wie übrigens bei den meisten Katalogen. Ein solches, durch den Inhalt erläuternde Stichworte ergänzt, hätte die Nutzbarkeit des Katalogs wesentlich erhöht.

So kommt es, dass man manches nicht findet, anderes zu kurz kommt oder schließlich ganz fehlt, obwohl es zu »Unserem Schwarzwald« gehört. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen: wenn z. B. mehrfach von dem Schwarzwaldmaler Hermann Dischler die Rede ist und seine Bilder vor Augen geführt werden, so vermisst der Rezensent eine ebensolche Beachtung des anderen großen Malers Schwarzwälder Winterlandschaften, Karl Hauptmann, dem im Hans- Thoma-Kunstmuseum in Bernau sogar ein eigener Raum gewidmet ist; und der hier nur in dem vorangestellten Essay mit anderen erwähnt wird. Im Themenbereich »Sportlich. Touristisch« unter dem Schlagwort »Schneetourismus« werden die Norweger als das Maß aller (Ski)-Dinge bezeichnet, nicht aber erwähnt wird die große Bedeutung des Bernauer Ski-Köpfers mit seinen patentierten Erfindungen von Skiern und Bindungen, die er in Serienherstellung tausendfach in alle Welt verschickt hat - wenn er auch mit einer Abbildung auf einer Schneewolke schwebend in der Ausstellung zu sehen ist - eine Würdigung gehörte in den Katalog! Auch die Holzschneflerei in den Hochtälern kommt zu kurz, die aus dem Waldreichtum erst die Heimarbeit, dann ganze Gewerbe hervorbrachte und Hunderte Familien ernährte, ohne dass man diese Erzeugnisse, die zehntausendfach produziert wurden, wie Teller, Löffel, Krauthobel, Blasebälge, Bottiche oder Feldarbeitsgeräte, zeigt und das Hauptwerkzeug, den Schniedesel, nur als kleine Lithografie (S. 113) unter dem Schlagwort »Arbeitsschutz« verborgen ist! Abschließend sei noch vermerkt, dass zu »Unserem Schwarzwald« sicher auch das große alemannische Volksfest, der berühmte Hans-Thoma-Tag gehört mit der zweijährlichen Verleihung des Hans-Thoma- Preises, des Großen Landespreises für Bildende Kunst Baden-Württemberg.

Aber was man nicht hat, kann man auch nicht ausstellen, obwohl man einige Leihgaben anderer Institutionen herangezogen hat. So erhebt sich die Frage, ob Ausstellungen aus dem eigenen Bestand immer das A und O darstellen, oder ob man hier nicht zu den Leihgaben ein paar mehr direkt aus dem umliegenden Schwarzwald hätte integrieren sollen, um ein ganzheitliches Bild von »Unserem Schwarzwald« dokumentieren zu können, wenn man schon mit einem umfassenden Titel wirbt? So erklärt sich vielleicht auch abschließend der Titel und was mit »Unser« gemeint ist, nämlich im Wesentlichen »Euer« Bestand aus dem Museum, denn »Unser Schwarzwald« bietet noch viel mehr - auch wenn man auf Klischees verzichtet.

So bleibt einem nur übrig, diese trotzdem wundervolle Ausstellung und den Katalog zu betrachten wie Modest Mussorgsky es in Musik schrieb als »Bilder einer Ausstellung«, durch sie zu promenieren oder den Katalog zu durchblättern, ein Bild oder Schlagwort nach dem ändern und diese auf sich wirken zu lassen, um die bereits im Kopf vorhandenen Bilder von »unserem Schwarzwald« zu ergänzen durch das, was im Museum bis jetzt verborgen war.

Dr.-Ing. Rolf Fuhlrott

3/2011
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