Rezensionen


Latente Talente. Badisch, schwäbisch, fränkisch – ein Lesebuch zu südwestdeutschen Befindlichkeiten.
Eingeleitet und herausgegeben von Friedemann Schmoll. Eine Kleine Landesbibliothek, Band 10. Klöpfer & Meyer Verlag, Tübingen 2010, 286 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-940086-59-4, € 14,–

Heimlich gescheit wie die Schildbürger seien die Schwaben, schrieb der progressive und provokante Literaturprofessor Friedrich Th eodor Vischer (1807– 1887), Staatsangehöriger des Königreichs Württemberg, der sich dem Stamm der Franken zurechnete. »Talent bleibt latent«, brachte er seine Beobachtung auf den Punkt und lieferte Friedemann Schmoll die Stichwörter für den Titel seines Lesebuchs über die Eigenarten und Eigenheiten der Menschen im deutschen Südwesten: Badener, Schwaben und Franken.

Dass die drei Namen streng genommen nicht auf eine Ebene passen, wird im Buch sachkundig geklärt. Peter Lahnstein (1913–1991), Beamter mit schöngeistigen Neigungen, liefert dem Leser Grundlagenwissen über das Herzogtum Schwaben, das im Mittelalter vom Vogesenkamm bis an den Lech, vom Gotthard-Pass bis zum Hohen Asperg reichte und als sprachliche Einheit fortdauert. Nördlich davon liegt das Land der Franken.

Das Büchlein ist eine Fundgrube an literarischen Texten. Ernst Moritz Arndt ist vertreten, Gustav Hauff , Hermann Hesse und Viktor von Scheff el; Historiker, Geographen und Volkskundler kommen zu Wort, auch Politiker wie Karl von Rotteck, Willy Hellpach und Carlo Schmid. Den breitesten Raum nimmt Württemberg, »das engere Schwaben«, ein. Hier wurde schon im 19. Jahrhundert viel über Land und Volk geschrieben, 1842 zum Beispiel »von in Schwaben geborenen oder doch einheimisch gewordenen Schrift stellern«.

Die Abteilung »Baden und Badisches« lockt mit dem Untertitel »off ene Horizonte ...« und beginnt mit einem Text über die Landschaft im Dreiländereck von René Schickele. Das entsprechende Kapitel über Württemberg kommt mit dem Zusatz »Einkapselung …« schlechter weg. Aufk lärung und Liberalismus werden von drei Autoren als prägende Elemente der badischen Geschichte herausgestellt: von Gustav Schlesier, der das Großherzogtum Baden einen »glücklich situierten Staatskörper« nennt, dem Staatsrechtler Carl von Rotteck und dem Reiseschrift steller Karl Julius von Weber. Der Gegensatz zwischen dem fränkischen Nordbaden und dem alemannischen Südbaden ist mehrfach Th ema: Amadeus Siebenpunkt (1910–1999), mit bürgerlichem Namen Hubert Doerrschuck, ehemals Journalist in Karlsruhe, Autor von »Gruppenbild einer verzwickten Familie«, fragt: »Badener – gibt’s die überhaupt?« Er bejaht es zuletzt und zitiert den badischen Sängergruß »Vom See bis an des Maines Strand …«.

Amüsant zu lesen, was Hans-Martin Gauger über seine Erfahrungen als Württemberger in Freiburg schreibt, wie er mit der »antischwäbischen Irritation« zurechtkommt. Er kennt sich in der Landeskunde gut aus und präzisiert, dass er als Oberschwabe und damit nicht Alt-Württemberger im ehedem Vorderösterreichischen leicht integrierbar war. Auch er preist die Liberalität und Off enheit.

Eine weitere Fundstelle für Badisches ist das letzte Kapitel »Landstriche und Mosaike«: Der Historiker und Archivar Josef Bader (1805–1883) nimmt den Leser mit auf einen Spaziergang durch das Markgräfl erland. Der Münchner Professor Wilhelm Heinrich Riehl (1823–1897) nimmt sich die Pfalz vor, die zu seiner Zeit noch zum Königreich Bayern gehörte, und nennt die Pfälzer schlagfertig, fl ink und redselig. Peter Paul Albert (1862–1956), gebürtiger Unterländer und langjähriger Stadtarchivar in Freiburg, attackiert den Oberländer Josef Bader wegen inkompetenter Ausführungen über die Odenwälder. Er bezeichnet ihn despektierlich als »klettgauischen Geschichts-Schrift steller« und stellt selbstgefällig fest: »Mit Gegenausfällen gegen die Oberländer zu antworten, sei fern von uns«. Es gibt viel zu entdecken in dem handlichen Bändchen, auch in den Kurzbiographien der 41 Autoren, deren ältester Wilhelm Ludwig Wekhrlin, der seine Impressionen aus Schwaben im 18. Jahrhundert schrieb und den Gegensatz Ober- und Unterland auch schon kannte. Im Unterland fand er die Menschen gebildeter und »polizierter«, die Sitten zahmer.

Renate Liessem-Breinlinger

4/2012
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