Rezensionen


 

Thomas Adam Kleine Geschichte des Kraichgaus
G. Braun-Buchverlag, Karlsruhe 2010. 271 S., mit zahlreichen Abb. ISBN 978-3-7650-8553-6 € 19,90

 

 

Mit der Geschichte einer Landschaft ist das so eine Sache; den Landschaftsnamen kennt man oft auch in großer Entfernung; so hat man in Baden sicher vom »Alten Land« an der Elbe gehört, wo genau es jedoch liegt, wissen die Wenigsten. So ist es auch mit dem »Kraichgau«, die Badener wissen es, so ungefähr, in Nordbaden, zwischen Rhein und Neckar und/oder zwischen Odenwald und Schwarzwald. Schon werden die Württemberger protestieren, liegt es doch zum Teil auch in Württemberg, wenigstens dem früheren Königreich Württemberg oder dem damaligen Regierungsbezirk Nordwürttemberg, bis es nach heftigsten Diskussionen bei der großen Kreisreform in den 70er Jahren der Regierungsbezirk Stuttgart wurde. An dieser Situation hat sich auch nicht viel geändert, trotz der jetzt dankenswerterweise vom Autor vorgelegten »Kleinen Geschichte«. Diese ist genauso wenig übersichtlich wie die Landschaft selbst, die der Autor einen Flickenteppich nennt, dessen genaue geografische Abgrenzungen fast niemand kennt, dessen Einheit im Bewusstsein der Bewohner in ihren Köpfen erst entstehen muss. Darum bemüht sich der Heimatverein Kraichgau, vielleicht auch der Landesverein Badische Heimat oder Einzelpersonen, wie hier der Autor Thomas Adam.

In sisyphusartiger Kleinarbeit hat er alles aufgearbeitet und aufbereitet, Geschichte und Kultur, Besiedlung und Lebensraum, Kampf gegen feindliche Eindringlinge, Abgrenzung gegen Ansprüche der Nachbarn, wie gesagt eine verdienstvolle Detailarbeit. Aber was fehlt, ist der große Überblick und Zusammenhang. Es fehlt vor allem ein kombiniertes Sach-, Orts- und Personenregister. Ein Geschichtsbuch will nicht nur gelesen werden wie ein Roman, durchgehend, es soll und muss auch als Nachschlagewerk dienen und dazu braucht man ein Register. Wenn man wissen will z. B. ob Siegelsbach oder Mühlacker im Kraichgau liegen oder bereits außerhalb, braucht man es, wenn man wissen will, ob die vergessene Dichterin Wilhelmine Maisch, wohnhaft in Adelshofen, eine Kraichgau- erin ist, ebenso, und wenn man wissen will, ob der Urmensch von Mauer diesseits oder jenseits der Grenze gefunden wurde braucht man es genauso, wie auch eine Karte, wenn man den Verlauf des namensgebenden Kraichbachs verfolgen will! Beides ist ein dringendes Desiderat und sollte bei einer Neuauflage eingefügt werden.

Aber deshalb sollte diese Besprechung nicht ins Negative gleiten, besonders weil der Rezensent auch ein wenig eifersüchtig auf diese Landschaft mit ihrer uralten Besiedlung schaut. Galt doch lange Zeit einer seiner Ahnen als der Entdecker des ältesten Menschen der Menschheit, des Neandertalers, als er diesen 1856 im Tal der Düssei fand. Dieses Privileg wurde ihm nun Anfang des 20. Jahrhunderts streitig gemacht, als man 1907 im eben genannten Mauer südöstlich von Heidelberg einen noch älteren Fund machte, dem man den kurpfälzischen Namen »Homo Heidelbergensis« gab und nicht nach dem eigentlichen Fundgebiet »Kraichgau-Mensch«! Aber vielleicht liegt das daran, dass Mauer gar nicht im Kraichgau liegt! Wer weiß das schon so genau?

Aber Scherz beiseite, damit beginnt das Werk, mit dem Urmenschen und zieht sich hin über die Besiedlung und Bewirtschaftung durch Bauern, die Entstehung der Herrschaftsgebiete, Streitigkeiten und Kriege bis zum letzten und dann danach die Einteilung der Sieger bis zur großen Gebietsreform und Entstehung der Bundesländer. Das Ganze mündet dann ein in die Hoffnung, zumindest das Bewusstsein für die Einheit der Landschaft mit ihren Natur- und erbauten Schönheiten unter dem Titel des Schlusskapitels »Vom Finden und Erfinden einer Heimat«.


Das Buch kommt gerade zur rechten Zeit, da überall das Bewusstsein stärker wird, die regionalen Eigenheiten herauszustellen und in einen größeren Verbund einzubinden wie das Zabergäu in Baden-Württemberg oder die Landesvereinigung Baden in Europa (nächstes Jahr 20 Jahre alt). Ein lesenswertes Buch, wie gesagt, kein Nachschlagewerk, das sicher in vielen Stadt- und Landesbibliotheken zu finden sein wird.

Dr.-Ing. Rolf Fuhlrott

4/2011
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