Die Frage, was ein Bildband ist, kann fast jeder sofort beantworten,
nämlich ein gebundenes Buch mit vielen schönen, oft
außergewöhnlichen und großformatigen Bildern
und wenig, meist die Bilder nur erläuternden Text. Die Frage
allerdings, wozu ein Bildband veröffentlicht wird, ist schon
schwieriger zu beantworten und findet sich auch in keinem Lexikon.
Es kann sein, um eine Persönlichkeit zu würdigen, etwa
einen Künstler, oder ein Bauwerk wie das Heidelberger Schloss,
oder einen Gebäudetyp wie Bibliotheken oder Barockkirchen,
oder auch eine Landschaft wie den Schwarzwald, schließlich,
wie in diesem Fall, zum oft wiederholten Male das Bundesland.
Baden- Württemberg, diesmal ganz ohne Untertitel wie bei
den anderen: ein Farbbild, eine Bilderreise, eine Luftbildreise,
Ausßüge, Fahr mal hin und vieles mehr, jedenfalls
immer die Vielfalt gerade dieses Bundeslandes im Auge habend.
Wenn es sich dann dazu um die Fotografien eines weit bekannten
und hoch ge- preisten Fotografen handelt, wie den Karlsruher
Peter Sandbiller, sowie den nicht unbekannten Journalisten Wolfgang
Alber - zufällig dem Redaktionsstab unserer Schwester-Zeitschrift
der »Schwäbischen Heimat« angehörig, sind
die Erwartungen groß.
Der Anlass zu diesem Bildband ist das 60-jährige Bestehen
des Landes Baden-Württemberg, vielleicht auch das 900-jährige
Jubiläum des Landes Baden, zu denen kein südwestdeutscher
Regional-Verlag abseits stehen möchte. Aber glänzt
er auch mit seiner Veröffentlichung und unterscheidet sich
von der mitbewerbenden Vielzahl?
Es ist ein Bildband mit zum großen Teil hervorragenden
Aufnahmen von Peter Sandbiller, vor allem die Luftaufnahmen,
für die er ja so bekannt geworden ist, aber auch seine offene
oder versteckt humorvolle Ironie, die aus etlichen seiner Fotografien
aufblitzt, wenn er die Bronzefigur »Der Beobachter« vor
dem Leutkircher Zwiebelturm auf einem Gerüst sitzend, das
Treiben unter ihm betrachten lässt, oder den Blick durch
ein überdimensionales Brillengestell auf den Hohenneuffen
lenkt, oder das Schloss Sigmaringen fest im Blick hat, wenn es
sich in einer Sonnenbrille spiegelt, oder per Tele den Kopf des
Stuttgarter Fernsehturms so nah heranholt, dass man das Gefühl
hat, die von dort oben herabblickenden Menschen schauen einem
direkt ins Auge. Das alles ist großartig und macht Spaß,
seine Bildkompositionen aus der Frosch- oder Vogelperspektive
anzuschauen, oder auch seine Weitwinkelaufnahmen, wie bei der
Heidelberger Pferdeskulptur von Goertz, die den Menschen so winzig
erscheinen lässt. Allerdings fragt man sich manchmal, wie
die Fotoauswahl zustande kam, um das in acht Regionen hier gegliederte
Land bildlich darzustellen, von der Kurpfalz, Kraichgau Odenwald, über
den Oberrhein, den Schwarzwald bis an den Bodensee. Das Charakteristikum
z. B. der Stadt Karlsruhe als Fächerstadt kommt durch eine
Luftaufnahme ausgezeichnet zur Geltung, eine raffinierte Spiegelung
am Glaskubus des Zentrums für Kunst und Medientechnologie
weist sie als Stadt der Künste aus, noch ein Blick auf die
Bühne einer Händel-Oper und ein Schwenk über den
mit Menschen überfüllten Monte Klotz beim jährlichen
Rock- »Fest« sollen diesen Eindruck verstärken
und zeigen, was Karlsruhe ausmacht - aber doch wohl zu wenig
oder zu einseitig! Freiburg grüßt den Betrachter mit
einem aus schwarzem Schatten aufragenden, in roter Abendsonne
eingerüsteter Münsterturm wie auch mit der blauen Brücke über
die Bahngeleise des Bahnhofs, und zwei Studentinnen sonnen sich
am Universitätsportal und ein Blick auf viele Solardächer
soll den Eindruck der Ökostadt vermitteln; aber nichts von
dem, was Freiburgs Atmosphäre ausmacht und den Touristen
interessieren könnte - wenn denn das Buch für ihn gedacht
ist - die historische, romantische Altstadt mit ihren typischen
Bächle wird hier nicht gezeigt, letztere dagegen in Waldshut.
Selbst kleine Orte wie Ladenburg, das römische Lopodunum,
vergisst man nicht, hätte aber einen typischeren Einblick
in seine spätmittelalterlich und restaurierte Altstadt verdient.
Aber genug der Bildkritik. 225 zum größten Teil ausgezeichneter
Fotografien wollen das »Ländle« in seiner ganzen
Schönheit und Vielfalt zeigen. Dazu kommen Texte in den Sprachen deutsch, englisch und französisch,
die allerdings noch mehr Fragen aufwerfen oder offen lassen als
sie beantworten. Am Anfang steht die ganzseitige Einleitung zu
diesem Bundesland, das die gewohnten Klischees bedient vom liberal-weltläufigen
Badener, dem schaf- figen Schwaben und dem pietistischen Altwürttem-
berger, gipfelnd in dem bekannten Kalauer: Ȇber Baden
lacht die Sonne...« der Leser weiß sicher, wie es
weiter geht. Weiter, wie aus dem territorialen Flickenteppich
von Napoleons Gnaden das Großherzogtum wurde, das nach
dem 2. Weltkrieg unter Schmerzen nach einem Volksentscheid vor
nunmehr 60 Jahren mit den anderen Teilen vereinigt wurde zum
drittgrößten Bundesland unter dem Landeswappen mit
dem badischen Greif zusammen mit dem württem- bergischen
Hirsch die Tafel mit dem Stauferlöwen tragend - ein Erfolgmodell,
dessen Stärke in der Vielfalt liegt und hier dokumentiert
werden soll - an wen sich diese aber wendet, verrät auch
der Texter nicht!
Einspaltig werden die Texte dann ob ihrer Dreispra- chigkeit
zu den einzelnen Regionen, und dabei werden die Highlights einzelner
Städte herausgehoben, immerhin das stadtreichste Bundesland,
wie bei der Kurpfalz Schiller und Mannheim, die Mannheimer Schule
in der Musik bis zu den Söhnen Mannheims, schließlich
Typisches der Region wie die Mandelblüte, der Spargel und
der Tabak. Bei der nächsten Region, dem Oberrhein, ist es
dann der alemannische Kulturraum im Dreiländereck, der Frühling,
der durch die Burgundische Pforte schon früh hier eindringt
und die Region mit ihren Bergen und Wein nicht nur zum Genießerland
werden lasst, sondern zur »deutschen Toskana«. Also
alles Klischees, die wir von den Flyern und Reiseführern
der Tourismusbranche kennen.
Die Bildunterschriften geben auch nicht viel mehr her, sie
beschreiben meist den Bildinhalt und geben nur wenige Zusatzinformationen,
obwohl in dem großformatigen Buch Platz für mehr gewesen
wäre. Das Ganze wird dreifach erschlossen, am Anfang durch
ein Inhaltsverzeichnis, am Ende durch ein Ortsregister und eine
Karte Baden-Württembergs, in der alle erwähnten Ort
nochmals verzeichnet sind.
Am Schluss aber legt man den schön illustrierten Bildband
ein wenig unbefriedigt aus der Hand, nachdem es trotz seines
Gewichtes ein haptisches Vergnügen war, darin zu blättern
und ebenso eine Augenweide, darin zu schauen - und stellt ihn
schließlich doch
nur zu den anderen in die Ecke des Bücherschranks!
Rolf Fuhlrott
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