Rezensionen

 

Babette Tondorf, Strafverteidigung in der Frühphase des reformierten Strafprozesses. Das Hochverratsverfahren gegen die badischen Aufständischen Gustav Struve und Karl Blind (1848/49). Berliner Wissenschaftsverlag 2006, 583 S., ISBN 3-8305-1129-9, 69 €

Zu den Forderungen der von Baden ausgehenden Freiheitsbewegung gehörte die Beteiligung von Volksvertretern an der Rechtsprechung in wichtigen Strafsachen. Schon im Mai 1848 wurde unter dem Druck der Revolutionsereignisse beim Hofgericht Freiburg ein besonderes Geschworenengericht für hochverrätherische Unternehmungen gebildet. Es brachte eine grundlegende Reform: Nunmehr sollte eine aus zwölf Bürgern zusammengesetzte Geschworenenbank über die Schuldfrage befinden, danach hatten drei Berufsrichter über das Strafmaß zu entscheiden. Das Schicksal fügte es, dass das erste Verfahren dieser Art sich ausgerechnet gegen zwei Wortführer des Volksaufstands, nämlich den Journalisten Karl Blind und den Oberhofgerichtsadvokaten Gustav Struve richtete. Nach einer aufsehenerregenden zehntägigen Verhandlung wurden die beiden zu acht Jahren Zuchthaus, abzubüßen durch fünf Jahre und vier Monate Einzelhaft, verurteilt. Im Mai 1849 sind sie gewaltsam aus der Bruchsaler Strafanstalt befreit worden.

In ihrer der Fernuniversität Hagen vorgelegten Dissertationsschrift geht die Verfasserin vorweg auf die Ereignisse ein, die zu Verhaftung und Anklage führten. Dann stellt sie das schwurgerichtliche Verfahren mit Auswahl, Auslosung und Vereidigung der Geschworenen vor. Sie bringt Auszüge aus den Wortprotokollen der Hauptverhandlung, gibt die Anträge von Staatsanwalt, Rechtsanwälten und Angeklagten wieder. Detailliert erörtert sie den Inhalt der Zeugenaussagen und die damit verbundenen Beweisprobleme. Ebenso werden die schrittweise anfallenden Rechtsfragen sachkundig erläutert, das Gerichtsurteil kritisch hinterfragt. Gesteigertes Gewicht wird der Stellung und den Vorgehensweisen der drei Verteidiger Barbo, Brentano und v. Feder beigemessen. Klar schält sich dabei heraus, dass die Rechte der Beschuldigten, sicherlich unter dem Einfluß von Ideengut der Französischen Revolution, jetzt entscheidend verstärkt worden sind. Ergänzt wird das Bild des Prozessgeschehens durch Kurzviten der Verfahrensbeteiligten.

Alles in allem ist hier eine eindrucksvolle und gründliche Synthese von allgemeiner Landesgeschichte und Justizgeschichte gelungen, die einem jeden historisch Interessierten nur empfohlen werden kann.

Reiner Haehling von Lanzenauer

4/2006
   

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