Marco Müller: Die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
der Stadt Rastatt 1815–1890, Stadt Rastatt Stadtgeschichtliche
Reihe. Band 8, 2005, verlag regionalkultur, ISBN 3-89735-285-0,
19,90 Euro
Müller untersucht dreiviertel Jahrhundert der Sozial- und
Wirtschaftgeschichte der Stadt Rastatt. Das wohl wichtigste
und folgenreichste Datum für die Stadtgeschichte Rastatts
war wohl der am 26. März 1841 von der Bundesversammlung
in Frankfurt gefasste Beschluss, Rastatt zu einer Bundesfestung
neben Mainz, Luxemburg und Landau auszubauen. Die Grundsteinlegung
erfolgte am 18. Oktober 1844. Die Einwohnerzahl erhöhte
sich von durch die Bundesfestung von 6290 Einwohner im Jahre
1839 auf ca. 12 000 in Jahre 1875. Die Rastatter Maurermeister
profitierten aber vom Bau der Bundesfestung nicht, weil
ein Teil der Bauarbeiten an Subunternehmer vergeben wurde
(S. 245). Profiteure waren Kaufleute, die ihr Angebot auf
die Bedürfnisse der Soldaten umstellten (S. 249). Nutznießer
wurden die Rastatter Maurermeister erst im Zusammenhang
mit den Abbrucharbeiten. Mit der Entscheidung, Rastatt zur
Bundesfestung auszubauen, wurde für die Stadt eine positive
wirtschaftliche Zukunft unterbunden. Nur wenige Gewerbe
konnten von den in der Festung stationierten Soldaten profitieren.
Der Status einer Festungsstadt war es, der Rastatt in den
Augen von Besuchern und Reisenden zu einem öden und langweiligen
Ort machte (S. 421).
„Die Festung und Garnison war Fluch und Segen zugleich,
verhinderte sie doch eine räumliche Ausdehnung der Stadt“
auf die nächsten 50 Jahre. Erst 1890 wurde mit den Abbrucharbeiten
begonnen, nachdem durch die Annexion von Elsaß-Lothringen
die Festung ihre strategische Bedeutung verloren hatte.
Für die Sozial- und Wirtschaftgeschichte bedeutend ist,
dass durch die Festung die Ansiedlung von Industrie stark
behindert wurde. „Nach 50jährigem Stillstand in der Stadtentwicklung
dehnte sich Rastatt nun nach wenigen Jahrzehnten weit über
den ehemaligen Befestigungsring hinaus aus“ (S. 254). Zwar
gab es mit der Stahl- und Kutschenfabrik der Gebrüder Benjamin
und Gottfried Schlaff 1777 einen frühen Industrialisierungsversuch,
der aber bereits 1827 wegen Überschuldung der Fabrikgesellschaft
ein Ende fand. „Erst in den 1800er Jahren entfaltete sich
innerhalb der Festungsmauern ein bescheidenes Fabrikwesen.
Allerdings sollte es noch bis in die 1890er Jahre dauern,
bis in Rastatt die Industrialisierung nachgeholt werden
konnte, und die Stadt sich auf dem ökonomischen Entwicklungsstand
vergleichbarer Städte in Deutschland befand“ (S. 419).
Heinrich Hauß
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