Rezensionen

 

Walter Berschin/Werner Wunderlich (Hrsg): Joseph Victor von Scheffel (1826-1886). Ein deutscher Poet - gefeiert und geschmäht. Thorbecke Verlag. Ostfildern 2003. ISBN 3-7995-0128-2.

Im 19. Jahrhundert wurde Joseph Victor von Scheffel (1826-1886) gefeiert - für sein Versepos "Der Trompeter von Säckingen" (1854), für seinen Roman "Ekkehard" (1855), für seine "Gaudeamus-Lyrik", seine Kommerslieder. Im 20. Jahrhundert wurde er geschmäht wegen seiner "Trivialliteratur" - und weitgehend vergessen. Es war deshalb angebracht und wohlüberlegt, Scheffels Leben und Werk aus aktuellen Forschungsperspektiven zu beleuchten. So trafen sich Literatur- und Medienwissenschaftler, Historiker, Mediävisten zu einem Scheffel-Kolloquium in Bad Säckingen, um unter Leitung von Walter Berschin (Heidelberg) und Werner Wunderlich (St. Gallen) über den Schriftsteller, aber auch über den talentierten Zeichner Scheffel zu diskutieren und heute mögliche Zugänge und Deutungen, auch musikalisch und filmisch, zu erörtern. Die Bilanz dieses Symposiums wurde nun vorgelegt, auf 250 Seiten gut präsentiert und komplettiert durch eine bis zum Jahr 2001 führende Scheffel-Bibliographie.
Für den Bürgermeister von Bad Säckingen, Dr. Dr. h.c. Günther Nufer, erschließt dieses Buch Scheffel als "Schriftsteller, begabten Maler und gewissenhaften Historiker. Wie auch immer das Urteil ausfällt, es wird nach der Lektüre gerechter sein". Die beiden Herausgeber Walter Berschin und Werner Wunderlich sprechen in ihrem Vorwort "von den Wandlungen des Publikumsgeschmacks oder den Zeitläufen des Literaturbetriebs, welche Scheffel kaum mehr als Lesestoff gewärtigen"; sie haben aber dennoch "aus wissenschaftlicher Sicht genügend Gründe, warum sich eine Beschäftigung mit Scheffel lohnt".
Günther Mahal schreibt: "Erinnerungen an einen Vergessenen" und plädiert überzeugend: "Wir täten gut daran, das XIX. Jahrhundert nicht mit den Meßlatten des XX. Jahrhunderts zu bewerten und dann gleich zu verwerfen". Von besonderem Interesse sind die bisher unbekannten Scheffel-Texte aus Notizbüchern und Korrespondenzen (Hansgeorg Schmidt-Bergmann), die sehr wohl "das Lebensgefühl einer breiten Schicht seiner Generation" dokumentieren. Fraglich ob Scheffel an der "Konstruktion nationaler Identität der Deutschen teilhaben" wollte; seine Werke aus den 50er Jahren wurden erst nach 1870/71 zu Kultbüchern hochgejubelt, führte zur "ideologischen Vereinnahmung Scheffels als vaterländischer Dichter". "Scheffels Schaffen zwischen Historie und Poesie" (Rüdiger Krohn) lieferte "Mittelalter hausgemacht". Es ist ein Faktum, dass mediävistische Forschungen Scheffel ein Leben lang beschäftigten; die Lassbergische Bibliothek in Donaueschingen war für ihn eine optimale Fundgrube (Ludger Syre). Hat aber Scheffels "Ekkehard" und sein St. Gallen wirklich das "Gepräge der Aecht-heit" (Werner Wunderlich)?
Kann man Scheffel verfilmen, fragt H. 0. Hügel. Oder in Oper und Konzert vertonen (Werner Wunderlich). Sehr lebhaft schildert Scheffel selbst, wie er 1854 das Fridolinfest in Säckingen erlebte; Mechthild Pörnbacher weist nach, wie die Fridolinsvita in Scheffels "Trompeter" eingebettet wurde. Eine ganz besondere Note erhält dieses Buch durch 23 zum Teil farbige Illustrationen, darunter 9 Scheffel-Originale. Sehr gute Informationen und Materialien für eine fundierte Auseinandersetzung über Joseph Victor von Scheffel..

2/2003
   

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