Paul-Ludwig
Weinacht (Hrsg.): Die badischen Regionen am Rhein. 50 Jahre
Baden in Baden-Württemberg - Eine Bilanz. 555 Seiten mit
zahlreichen Schwarz-weiß-Abbildungen und Karten. Nomos Verlagsgesellschaft
Baden-Baden 2002. brosch. 34,- Euro.
Zum
Landesjubiläum 50 Jahre Baden-Württemberg sind eine Reihe
gewichtiger Bände erschienen, in denen man Geschichte und
Struktur des Bundeslandes im Glanzlicht betrachten kann.
Man kann nicht sagen, dass der badische Landesteil dabei
in den Schatten geraten wäre. Dennoch tut es gut, die Entwicklung
des stolzen Bundeslandes bewusst von der badischen Seite
aus beleuchtet zu sehen. Genau das geschieht in dem Werk,
das der Würzburger Politikwissenschaftler Paul-Ludwig Weinacht
(der in seiner Heimatstadt Freiburg verwurzelt blieb) herausgegeben
hat. Obwohl darin Beiträge von über 50 Autoren und Autorinnen
versammelt sind, stellt das Werk keine Buchbindersynthese
dar. Der Herausgeber hat die Themen überaus systematisch
ausgewählt und geordnet, und er hat das Werk an zentralen
Leitfragen ausgerichtet, die zu einer kritischen Wahrnehmung
verhelfen sollen. Sie lauten: "Was hat der badische Landesteil
in der Gemeinsamkeit mit dem württembergischen gewonnen?
Was haben die Badener zum gemeinsamen Land hinzugebracht?
Und welche Risiken gilt es, aus badischer Sicht, nach wie
vor zu sehen und abzuwehren?" Die Leitfragen machen deutlich,
dass hier kein nachträgliches (oder nachtragendes) Lamento
über den Verlust von Altbaden zu erwarten ist. Der Band
bietet vielmehr Informationen über Strukturen, Institutionen
und Lebensverhältnisse. Die einzelnen Beiträge des Bandes
sind sachlich, nüchtern und präzise. Niemand braucht zu
befürchten, wie Weinacht selbst ausführt, Baden-Württemberg
werde von der hier vorgenommenen Darstellung seines "badischen
Profils" Schaden davontragen. Wer hierfür einen Beweis sucht,
dem sei u. a. die Lektüre des Beitrages von Sven von Ungern-Sternberg
(des Freiburger Regierungspräsidenten) empfohlen. Er zeigt
in profilierter Weise die "süd-badischen Wegmarken" auf
und verbindet sie mit einer kenntnisreichen Rückschau sowie
mit einer Vorausschau, in der er das Prinzip "'s Eige zeige"
zum Garanten der selbstbewussten Zugehörigkeit zu unserem
Bundesland erklärt.
Das Werk besitzt einen bestechend klaren Aufbau in fünf
Teile. Im ersten und im letzten Teil werden gleichsam als
Rahmen des Ganzen die Perspektiven aus der Vergangenheit
und in die Zukunft geöffnet. Teil 2 und 3 behandeln, im
austarierten Gleichgewicht, Nordbaden und Südbaden. Dabei
werden die Regierungspräsidien mit ihren Aufgaben und Einrichtungen
anhand der historischen Entwicklung vorgestellt. Es folgen
jeweils Beiträge über die Planungsregionen, die Universitätsstädte
und über die aus- oder eingegliederten Landkreise und Gemeinden.
Die Zusammenhänge sind deutlich herausgearbeitet, die Probleme
werden klar umrissen. Ein besonderes Augenmerk widmen einzelne
Beiträge den grenzüberschreitenden Gesichtspunkten. Ein
vierter Teil steht unter der Überschrift "Der badische Zusammenhang
am Rhein". Hier findet man Beiträge über die Badische Evangelische
Landeskirche und die Erzdiözese Freiburg, über die Badischen
Verbände (u. a. über die "Badische Heimat"), über Kammern
und Behörden; ferner über kulturelle Einrichtungen und schließlich
- mit besonders facettenreichen Beiträgen - Darstellungen
politischer Grundtatsachen und Grundprobleme im badischen
Landesteil von Baden-Württemberg.
Auf den ersten Blick mag man den Eindruck gewinnen, von
der inhaltlichen Fülle und Vielfalt des Werkes geradezu
überschüttet oder erdrückt zu werden. Kaum jemand wird es
indes Seite für Seite mit gleicher Aufmerksamkeit lesen.
Aber bald wird man die Genauigkeit und die Informationsdichte
der Beiträge schätzen lernen. In gewisser Hinsicht hat Paul-Ludwig
Weinacht mit diesem Jubiläumsband ein Nachschlagewerk geschaffen,
das eben mehr bietet als eine reizvolle Momentaufnah me.
Es verspricht (um Jakob Burckhardts Formulierung abzuwandeln),
nicht nur klug für den Augenblick oder "ein andermal" zu
machen, sondern durchaus "weise für immer."
Wolfgang
Hug
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