Die Zeit der Völkerwanderung gehört zu den großen dramatischen
Erzählungen der europäischen Geschichtsschreibung. Die neuere
Forschung begreift diese bewegte Epoche zwischen der Spätantike
und dem Frühmittelalter weniger als einen heroischen 'Kampf
um Rom', denn als einen komplexen Transformationsprozess
des Römischen Imperiums, an dem die Barbaren ihren Anteil
hatten. Tatsächlich lösten die tief greifenden politischen,
sozialen und kulturellen Umwälzungen, welche die hellenistisch-römische
Welt vom 4. bis zum 7. nachchristlichen Jahrhundert erschütterten,
gewaltige Migrationsbewegungen germanischer und reiternomadischer
Stämme aus. Die in mehreren Wellen verlaufende Völkerwanderung
führte schließlich zum Zusammenbruch des Weströmischen Reiches,
dem neue Herrschaftsbildungen und die Entstehung einer römisch-barbarischen
Kultur folgten. Gleichzeitig wurde der weite geographische
Raum zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer zum Ausgangspunkt
einer Neuverteilung der einzelnen Stämme (der Goten, Gepiden,
Alamannen, Hunnen u.a.) über ganz Europa. Die Ausstellung
bietet eine systematische Annäherung an diese komplexen
Vorgänge. Anhand einer Auswahl von ca. 500 Exponaten – prachtvollen
Waffen und Pferdegeschirren, edlem Schmuck, Statussymbolen
und Gebrauchsgegenständen, kultischen Objekten und kostbaren
Grabbeigaben – greift sie die wichtigsten Fragestellungen
der Völkerwanderungszeit auf: Wer waren die Hauptakteure
des Geschehens und welche Ziele verfolgten sie? Was setzte
die gewaltigen Migrationsströme in Bewegung und wie war
deren Verlauf? Welche Konsequenzen ergaben sich daraus für
das Römische Reich und die angrenzenden Territorien? Spannende
Fragen, die nicht zuletzt unter dem Eindruck der jüngeren
europäischen Geschichte, die Aktualität des Ausstellungsthema
veranschaulichen.
Eine Ausstellung des Palazzo Grassi, Venedig und der Kunst-
und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn.
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft des italienischen
Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, des französichen Präsidenten
Nicolas Sarkozy und des deutschen Bundespräsidenten Horst
Köhler.
Bild: Adlerförmige Sattelbeschläge, 5. Jahrhundert Gepidisches
Fürstengrab, Apahida, Rumänien
Gold, Zellwerk mit Almandinen (L: 11,6 cm)
© Muzeul National de Istorie a Romåniei, Bukarest/Rumänien
|