Kunstwerk des Monats
November 2005
- Sammlungsblatt -

Arkebuse aus dem Belagerungsjahr 1622

Benedikt - Kunstwerk des Monats im Kurpfälzishcen Museum Heidelberg

Nach abgeschlossener Restaurierung:
Die Arkebuse aus dem Belagerungsjahr 1622

Der 16. September 1622 ist für die Geschichte Heidelbergs von entscheidender Bedeutung. An diesem Tag setzte das kaiserliche Heer unter Führung des Generalissimus Graf von Tilly über den Neckar, drang in die unverteidigte Neckarseite der Vorstadt ein und plünderte Heidelberg drei lange Tage. Eine ganze Reihe archäologischer Fundstellen lassen sich mit diesem historischen Ereignis in Verbindung bringen.

Dazu gehören auch Teile der kurfürstlichen Hühnervogtei, die in den Brandschatzungen des Dreißigjährigen Krieges in Schutt und Asche fiel. In der Parzelle Hauptstraße 214 konnte 1996 eine gemauerte Abfallgrube mit Gewölbeabschluss ausgegraben werden, die zur Hühnervogtei gehörte. Die Latrine enthielt neben einer stark verdichteten Fäkalienschicht Hausrat der Zeit um 1600. Eine darüber abgelagerte Bauschuttfüllung beendet den Nutzungszeitraum.
Unter dem reichhaltigen Fundmaterial befand sich auch eine eiserne Geldkassette, die im Zuge der Plünderungen aufgebrochen und später, da nun unbrauchbar, in dem aufgegebenen Latrinenschacht „entsorgt“ worden war. Von den damaligen kriegerischen Auseinandersetzungen zeugen die Musketenkugeln, mit denen die Kassette beschossen wurde und die heute noch in deren Wand stecken, besonders aber ein Vorderladergewehr. Aufgrund der Lagerungsbedingungen waren alle Fundstücke mit dicken Agglomeratschichten verkrustet, in denen auch Glasscherben und Ziegelbruch steckten.
Im Röntgenbild zeigt sich der Radschloss-mechanismus des Gewehrs, das heute noch gespannt und mit drei Kugeln geladen ist. In mehrere Teile zerbrochen, konnte die Waffe zu einer Länge von noch 57,5 cm zusammengesetzt werden. Insgesamt errechnet sich eine Länge von 114,0 cm; der Lauf allein betrug 76,0 cm. Das Laufkaliber liegt bei 13 bis 16 mm, das Kugelkaliber 1-2 mm darunter. Es handelt sich also nicht um die bei der Infanterie gebräuchliche schwere Muskete, die nur mit Stützgabel bedient werden konnte, sondern um eine kurze, leichte Radschlosspistole, die Arkebuse.
Im Gegensatz zu dem recht umständlichen, nur mit beiden Händen und im Stehen zu handhabenden Luntenschloss war das Laden der Radschlosspistole auch zu Pferd möglich. So wurde die Arkebuse im Verlauf des 16. Jahrhunderts vorwiegend von der leichten Kavallerie verwendet, die sie am Sattelknauf mit einem Karabinerhaken an einem Bandelier mitführte.
Das Prinzip des Radschlosses beruht
auf dem Reiben von Stein auf Stahl. Ein geriffeltes Rad wurde mit einem dazugehörenden Spannhebel aufgezogen und ein Hahn, dessen Lippen ein Stück Schwefelkies hielten, drückte gegen dieses Rad. Beim Betätigen des Abzuges öffnete sich der Pfannendeckel, das Rad drehte sich in die Ausgangsstellung und erzeugte durch Reiben Funken, die das Pulver auf der Pfanne entzündeten.
Das Röntgenbild war bei der Freilegung in der Restaurierungswerkstatt zwar eine große Hilfe, es zeigt jedoch nicht, auf welchem Niveau bzw. auf welcher Seite sich die Einzelteile des Mechanismus befinden. Das mechanische Freilegen der Oberflächen erfolgte mit verschiedenen Schleifkörpern in unterschiedlichen Körnungen am Hängebohrmotor. Wichtig ist dabei ein flächiges Vorgehen. Geringe Farbunterschiede im Schleifstaub sowie auf der Oberfläche sind oft die einzigen Merkmale zwischen Korrosionsausblühungen und Originaloberfläche. Beim Herauspräparieren der Arkebuse aus den Korrosionsschichten zeigten sich immer wieder in unregelmäßigen Abständen und Häufungen kirschkerngroße Rostblasen, die beim Aufbrechen innen hohl waren. Ob es sich hierbei um organische Bestandteile handelt, kann bislang noch nicht gesagt werden. Einige „Blasen“ sind als Probe entnommen und müssen noch untersucht werden.
Bedingt durch die jahrhundertlange Bodenlagerung in der Latrine erschwerte eine dünne schwarzgraue Farbschicht das Freilegen. Viele Bereiche waren mit dieser Schicht überzogen, die sich als wesentlich härter erwies als die darunter liegende Holzoberfläche. Um Beschädigungen am Original zu vermeiden, musste an den organischen Bestandteilen diese Korrosionsschicht stellenweise belassen bleiben.
Da zur Herstellung einer Waffe mehrere Holzarten verwendet werden konnten, wurden von der Arkebuse Holzproben entnommen. Eine Probe stammt von der Unterseite des Griffes. Die andere ist an der Unterseite des Laufes vom Ladestock entnommen. Die Holzproben wurden mit einem Skalpell vorsichtig abgespant, bevor mit einer Konservierung begonnen wurde, da eindringende Chemikalien die Probenanalysen verfälschen.
Danach war die Waffe selbst aus Rotbuche (Fagus sylvatica), der Ladestock aus Spätholz, vermutlich Esche (cf. Fraxinus excelsior) gefertigt. Während der Freilegung musste mit Epoxydharz, einem Zweikomponentenkleber, nachgeklebt werden. Mit Lösemittel verdünnt diente das Harz zur Tränkung von brüchigen Eisenteilen und begünstigte ein Verkleben in tieferen Schichten. Mit Talkum und Aerosil zu einer zähen Masse angedickt und mit entsprechenden Farbpigmenten eingetönt, wurde das Epoxydharz als Ergänzungsmaterial verwendet.
Im letzten Restaurierungsschritt wurde die Arkebuse mit einem 3%igen Acryllack konserviert, um diese vor Temperaturschwankungen und zu hoher Luftfeuchtigkeit zu schützen. Dennoch muss ein Umgebungsklima von über 30 – 40 % Luftfeuchte vermieden werden.

Renate Ludwig, Barbara Cüppers

Literatur:

Herrmann Schmitz: Deutsche Möbel des Barock und Rokoko. Stuttgart 1923
Heinrich Kreisel: Die Kunst des deutschen Möbels, Bd.II, Spätbarock und Rokoko. München 1970 Gerhard Dietrich: Schreibmöbel vom Mittelalter zur Moderne. München 1986

 

Deutschland, 1. Hälfte 17. Jahrhundert
Eisen und Holz
gefunden in Heidelberg, Hauptstraße 214 (1996)
Inv. Nr. HD – Alt 2002/2520 a

Bild: Museum
 
 
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