Säkularisation
und Tourismus
Klosterruine Allerheiligen: vom Relikt der Säkularisation zum
Ausflugsmagnet
Sommerzeit
ist Reisezeit: Dies galt schon vor 200 Jahren. Anders als heute
war es im 19. Jahrhundert jedoch viel schwieriger zu reisen. Man
war mit der Kutsche, zu Pferd oder sogar zu Fuß unterwegs, was
zum einen sehr beschwerlich war und zum anderen oft sehr lange
dauerte. Nichtsdestotrotz entstand ein reger Tourismus.
Welche Sehenswürdigkeiten damals gerade aktuell wurden, können
Sie in der großen Säkularisationsausstellung "Kirchengut in Fürstenhand"
im Bruchsaler Schloss erfahren.
Denn diese entstanden häufig als Auswirkungen der Säkularisation,
als die geistlichen Fürstentümer und Klöster durch den Staat 1803
enteignet wurden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts herrschte der
Geist der Romantik: Man schwärmte für längst vergangene Zeiten
und die Schönheit der heimischen Natur. So kam es, dass Orte wie
Allerheiligen, dessen Kloster in der Folge der Säkularisation
zur Ruine verfiel, zu beliebten Reisezielen wurden.
Zudem bedeutete die Übernahme der geistlichen Gebiete durch Baden
und Württemberg auch die Auflösung unzähliger Grenzen und machte
es somit viel einfacher, ohne ständige Passkontrolle die nun größer
gewordenen Länder zu bereisen.
Wie aus einem
verlassenen, maroden Überbleibsel der Säkularisation ein Magnet
für Ausflügler wurde, zeigt am besten das Beispiel der Klosterruine
Allerheiligen. Besonders die Kombination aus historischem Zeugnis
und romantischem Naturerlebnis machten das ehemalige Kloster zu
einem reizvollen Reiseziel. Neben der Ruine selbst übte auch das
Naturschauspiel der benachbarten Wasserfälle eine besondere Faszination
auf die Besucher aus. Dies beweisen die unzähligen Darstellungen
in Kunst und Literatur. In Folge des regen Interesses entstand
in der Nähe der Ruine das "Forstwirthschaftshaus" der Familie
Mittermeier, deren Gastlichkeit sich schnell herumsprach. Spätestens
Karl Baedeker, der Allerheiligen 1853 besuchte und in seinen Reiseführer
aufnahm, machte die Ruine endgültig einer breiten Öffentlichkeit
bekannt.
Viele berühmte Persönlichkeiten kamen nach Allerheiligen, darunter
die Zarenfamilie und der amerikanische Schriftsteller Mark Twain,
der 1880 seine Eindrücke folgendermaßen schilderte: "[...] Das
enge Tal zu unseren Füßen - es hieß Allerheiligen - bot am Ende
seiner grasbewachsenen Sohle gerade Raum genug für ein behagliches,
wonnevolles Menschennest, an das die Welt mit ihren Belästigungen
nicht heranreichte [...]; und da standen die schmucken braunen
Ruinen ihrer Kirche und ihres Klosters als Zeugen dafür, dass
die Priester vor siebenhundert Jahren einen ebenso feinen Instinkt
hatten wie die Priester heutzutage, wenn es darum ging, die erlesensten
Winkel und Ecken des Landes aufzuspüren. Ein großes Hotel verdrängt
die Ruinen nun ein wenig und betreibt ein lebhaftes Geschäft mit
Sommerfrischlern. [...] "
Bis heute sind Allerheiligen und andere Orte der Säkularisation
wie Meersburg oder Reichenau beliebte Ausflugsziele für unzählige
Besucher geblieben.
Wer mehr über
die Zeit vor 200 Jahren erfahren möchte, hat dazu noch vier Wochen
Gelegenheit. Die Ausstellung konnte wegen des guten Publikumszustroms
bis zum 21. September verlängert werden. Die Ausstellung im Bruchsaler
Schloss ist täglich außer Montag von 9.30 bis 17 Uhr geöffnet,
Donnerstag bis 19 Uhr.
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