Venedig und die islamische Welt

  

Venice and the Islamic World, 828 - 1797

27. März - 8. Juli 2007
Metropolitan Museum, New York

Mit nahezu 200 Kunstwerken aus mehr als 60 öffentlichen und privaten Sammlungen weltweit ist "Venedig und die Islamische Welt 828 - 1797" die erste größere Ausstellung über einen der wichtigsten und ausgeprägtesten Gesichtspunkte der venezianischen Kunstgeschichte: den Austausch von Kunstgegenständen und künstlerischen Ideen zwischen der großen Seerepublik und ihren islamischen Nachbarn im östlichen Mittelmerraum. Glas, Textilien, Teppiche, Waffen, Keramik, Skulptur, Metallarbeiten. Malerei, Zeichnungen, Drucke, Bucheinbände und Handschriften - sie alle erzählen die faszinierende Geschichte des islamischen Beitrags zur venezianischen Kunst während der Blütezeit der Stadt vom Mittelalter bis zum Barock. Anfangs- und Endpunkte der Schau im Metropolitan Museum of Art in New York bilden dabei das Jahr 828, als zwei Kaufleute aus Venedig den Körper des heiligen Markus aus dem islamisch kontrollierten Alexandria stahlen und in ihre Stadt brachten, bzw. 1797, als die Republik unter dem Machtwort Napoleons aufhörte zu bestehen.

Die Ausstellung wurde ermöglicht durch The Hagop Kevorkian Fund, mit der weiteren Unterstützung der Andrew W. Mellon Foundation, der Oceanic Heritage Foundation und des National Endowment for the Arts. Organisiert wurde sie vom Metropolitan Museum of Art, New York und dem Institut du Monde Arabe, Paris.

Marco Polo ist sicher der berühmteste der Tausende von Kaufleuten, die ihre Segel in Richtung Osten setzten, um dort ihr Glück zu suchen. Jahrhundertelang reisten venezianische Kaufleute jedes Jahr in die großen Handelszentren der Levante, um Gewürze und Luxusgüter wie Seide, Teppiche und Porzellan einzukaufen. Venedigs Märkte quollen über von kostbaren und exotischen Erzeugnissen, die ihnen den Spitznamen "Bazar Europas" einbrachten. Die Stadt wurde oft auch wegen der typisch islamischen ornamentale Schnörkel in Architektur und Stadtbild "Spiegel des Morgenlandes" genannt.

Venedigs Rolle als christliche Stadt setzte sie klar ab von der muslimischen Welt, aber die Religion setzte überraschenderweise den Handelsbeziehungen wenig Schranken. "Pragmatismus ist wohl der Ausdruck, der am besten die Beziehungen Venedigs zum muslimischen Mittleren Osten charakterisiert", sagt Stefano Carboni, Kurator am Department of Islamic Art des Metropolitan Museum und geborener Venezianer. "Trotz aller Kriege bleib Venedig ein privilegierter Partner, vor allem dank eines fast perfekten Gleichgewichts zwischen religiösem Geist, einer fast chamäleonhaften Diplomatie und einen scharfen Geschäftssinn."

Die Ausstellung

Die Ausstellung beginnt mit einer Galerie, die der venezianischen Erfahrung des Reisens und des Lebens in islamischen Ländern des östlichen Mittelmeerraums gewidmet ist. Wie jüngste Studien unwiderlegbar zeigten, waren Handel, Reisen sowie kulturelle und diplomatische Beziehungen die wichtigsten Mittel für den Austausch kultureller Strömungen zwischen Venedig und seinen islamischen Nachbarn. Karten vermitteln ein Gespür für den Raum und demonstrieren die Nähe der Seerepublik zu Damaskus, Alexandria, Kairo, Istanbuild und anderen großen islamischen Städten, während venezianische Reistagebücher und Ansichten von Stätten und Menschen des Nahen Ostens eine Innensicht der Perspektive ermöglichen.

Der Hauptteil der Ausstellung entfaltet sich chronologisch und thematisch. Einige der frühesten islamischen Objekte, die Venedig erreichten, waren für Kirchen und Kirchenschätze bestimmt, was ihre hohe Wertschätzung zeigt. Auf verschiedenste Weise dienten islamisches Glas, Bergkristall, Teppiche, Textilien und Metallarbeiten im kirchlichen Bereich. Ebenso hatten mittelalterliche wissenschaftliche Instrumente und illuminierte Handschriften, die weit höher entwickelt waren als im Europa jener Tage, schon früh eine große Bedeutung. Begeistert erwarben und übersetzten Venezianer berühmte islamische Texte, wie Avicennas "Canon" ins Lateinische und förderten so ihren eigenen medizinischen und technischen Fortschritt.

Den Kern der Ausstellung bilden Objekte des 15. und 16. Jahrhunderts, als das Interesse der Stadt an der islamischen Welt einen Höhepunkt erreichte. Das zeigen die zahlreichen Beispiele von Kostümen und Architektur aus der islamischen Welt in Handschriften, Drucken, Zeichnungen und Bildhauerei. Ausgangspunkt dieser Bilder war Gentile Bellinis diplomatische Mission an den Hof Sultan Mehmeds II. zwischen 1479 und 1481. Während und nach seinem Besuch in Istanbul stellte Bellini islamische Personen und Gruppen in seinen Zeichnungen dar, und seine zahlreichen Schüler, wie Vittore Carpaccio oder Giovanni Mansueti, folgten ihm in dieser Mode. Viele der besten der "orientalisierenden" Zeichnungen, jetzt über die ganze Welt verstreut, werden in der Ausstellung gezeigt.

Währen der Renaissance übertrafen sich reiche venezianische Patrizier gegenseitig im Luxus, worunter sich immer opulente Kunstwerke aus der islamischen Welt befanden. Um damit Schritt zu halten begannen venezianische Handwerker, die Stücke aus mameluckischen, timuridischen, safawidischen oder osmanischen Werkstätten nachzuahmen. Einzelne Abteilungen der Ausstellung zeigen islamische und venazianische Keramik, Bucheinbände, Texilien und Metallarbeiten nebeneinander.

Vergoldetes und emailliertes Glas war eine Domäne, in der die Venezianer schrittweise begannen, mit dem Nahen Osten gleichzuziehen, und mit dem späten 15. Jahrhundert belieferten Venezianische Glashersteller Moscheen im mameluckischen Ägypten mit Lampen. Später erhielten sie auch Aufträge für Lampen osmanischer Moscheen. Italienische Samt-, Seiden- und Brokatstoffe waren auf den östlichen Märkten sehr gefragt.

Die Ausstellung zeigt, dass der künstlerische Transfer ebenso von Westen nach Osten ging. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden die Beziehungen zwischen der Seerepublik und ihren östlichen Nachbarn komplexer. Während er Handel zwischen West und Ost intensiv weiter ging, fühlten sich die Venezianer oft durch die osmanische Militärmacht bedroht und begannen, wie sich in Drucken, Zeichnungen und auch hölzernen Schiffsdekorationen zeigt, muslimischen Themen gegenüber ihre Abneigung auszudrücken. Zur selben Zeit waren osmanische Waffen und Rüstungen auf dem Höhepunkt ihrer Beliebtheit in Venedig. So werden auch kunstvoll verzierte türkische Schilde und Köcher gemeinsam mit ihren venezinanischen Nachbildungen aus der Rüstkammer des Dogenpalastes gezeigt.

Ein auch in der Ausstellung immer wiederkehrendes Thema ist die Gegenwart islamischer Kunst in Venedig im Lauf der Jahrhunderte, und in jeder der Abteilungen werden islamische Objekte mit einer langen Geschichte in venezianischen Sammlungen herausgehoben. Die Venezianer waren zwar nicht unbedingt Sammler und Kenner islamischer Kunst in einem modernen Sinn, aber es kann doch gesagt werden, dass sie besonders islamische Luxusartikel bewunderten, in großer Zahl kauften und ganz allgemein über Jahrhunderte mehr Kenntnisse über islamische Kunst und Kultur aus erster Hand hatten als jeder andere in Europa, einschießlich in Italien.

Eine eindrucksvolle Zahl venezianischer Einrichtungen, so die Armeria del Palazzo Ducale, die Basilica und der Tesoro di San Marco, die Biblioteca dei Frati Minori di San Michele ad Isola, die Biblioteca Nazionale Marciana, Santa Maria Gloriosa dei Frari, die Fondazione Giorgio Cini, die Gallerie dell'Accademia, das Museo Civico Correr, das Museo Franchetti alla Ca' D'Oro, das Museo Storico Navale, das Museo Vetrario, udn die Scuola Grande di San Rocco, sind Haupt-Leihgeber der Ausstellung; auch andere europäische Museen, Bibliotheken und private Sammlungen tragen mit größeren Werken bei. Viele dieser Stücke wurden noch nie außerhalb Venedigs gezeigt.

Ein Katalog ist im Buchladen des Metropolitan Museum erhältlich.

   

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