Deutschland nach 1945 - Flucht, Vertreibung, Integration

  
Flucht, Vertreibung, Integration
3.12. 2005 – 17.4.2006
Deutsches Historisches Museum Berlin
Dienstag – Sonntag 9.00 – 19.00 Uhr

 

Die Ausstellung setzt einen Schwerpunkt auf Flucht und Vertreibung deutscher Bevölkerung, der chronologische Rahmen ist jedoch weiter gespannt: Bereits der Begriff "Jahrhundert der Vertreibungen" macht deutlich, dass der Blick nicht auf das Ende des Zweiten Weltkriegs verengt werden darf. Zwangsumsiedlungen und Vertreibungen seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa werden exemplarisch beleuchtet.
Die Besucher erfahren, dass Millionen von Menschen im 20. Jahrhundert von Flucht und Vertreibung zu verschiedenen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Ländern betroffen waren. Kriege und Konflikte schaffen immer wieder den Rahmen und die Voraussetzungen für Vertreibungen und Flucht. Gleichzeitig wird das individuelle Leid deutlich, das damit für die einzelnen Menschen verbunden ist.

Flucht und Vertreibung
Die Wechselausstellung verdeutlicht, dass Flucht und Vertreibung deutscher Bevölkerung am Ende des Zweiten Weltkriegs die zahlenmäßig größte erzwungene Bevölkerungsverschiebung des Jahrhunderts war. Zahlreiche Einzelbeispiele führen dies vor Augen: Zeitzeugen schildern in aktuell für die Ausstellung geführten Interviews ihre Erfahrungen nicht nur während Flucht und Vertreibung, sondern ihre Lebensläufe bis in die Gegenwart. Eine Ausstellungseinheit ist dem "Mythos Gustloff" gewidmet. Ein sowjetisches U-Boot versenkt bei der Evakuierung nach Westdeutschland am 30. Januar 1945 die "Wilhelm Gustloff". Schätzungen gehen von bis zu 10.000 Passagieren aus, von denen die wenigsten gerettet werden konnten. Der Untergang des Schiffes steht exemplarisch für die Rezeption dieses Themas in den Medien.
Einen weiteren biografischen roten Faden bilden die "Lebenswege": Der Besucher kann mit Hilfe einer Codekarte an drei Stationen in der Ausstellung Einzelheiten zum Schicksal eines Flüchtlings oder Vertriebenen abfragen. Zur Auswahl stehen den Besuchern "Lebenswege" von 150 Personen, die das Haus der Geschichte in den vergangenen Monaten befragte.

Ankunft und Integration
Teile einer Baracke des ehemaligen Flüchtlingslagers Furth im Wald und Einrichtungsgegenstände symbolisieren die Situation der Flüchtlinge und Vertriebenen in der neuen "Heimat". Viele befinden sich in einer dramatischen Lage. Krankheiten, mangelhafte Versorgung und schlechte Unterbringung bestimmen den Alltag. Auch die Konflikte mit der einheimischen Bevölkerung sind Thema der Ausstellung.
Politische Plakate machen deutlich, dass mit der Spaltung Deutschlands auch eine Veränderung für die Flüchtlinge und Vertriebenen einsetzt. In der Sowjetischen Besatzungszone und später der DDR wird diese Bevölkerungsgruppe euphemistisch "Umsiedler" genannt und dieser Wortgebrauch von der SED zwingend vorgeschrieben. Ab 1950 tauchen Flüchtlinge und Vertriebene auch unter dieser Bezeichnung nicht mehr auf selbst in den Statistiken wird dieser Begriff offiziell getilgt.
Ein Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf dem schwierigen und vielschichtigen Integrationsprozess von Flüchtlingen und Vertriebenen in der Bundesrepublik. Die Ausstellung zeigt Erfolge wie auch Schwierigkeiten beim wirtschaftlichen Eingliederungsprozess und beleuchtet die Probleme im konfessionellen Bereich, wenn erstmalig seit mehreren hundert Jahren katholische oder protestantische Gläubige in Gebieten ankommen, die fast ausschließlich von der jeweils anderen Religionsgemeinschaft bewohnt werden. Prozessionskreuz und Kirchenglocke sind herausragende Einzelobjekte, die diese Entwicklung veranschaulichen.
Lastenausgleichsakten, ein Flüchtlingspass und andere Dokumente weisen ausführlich auf die staatlichen Hilfen für Flüchtlinge und Vertriebene sowie die große Zahl der Betroffenen hin. In der Bundesrepublik Deutschland entsteht aus Einheimischen und Neuankömmlingen ein neues Gemeinwesen. Für den Erfolg der Eingliederung sind viele Faktoren von Bedeutung: staatliche Hilfe ebenso wie Eigeninitiative. Die wirtschaftliche, soziale, politische und gesellschaftliche Integration der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen verläuft für jeden Einzelnen je nach Herkunft, Alter und Bildungshintergrund unterschiedlich.
Auch die Selbstorganisation dieser Bevölkerungsgruppe in Verbänden sowie Formen öffentlicher und musealer Erinnerung werden beleuchtet. Stellvertretend hierfür stehen Teile einer sogenannten "Heimatstube" aus Köln, die zahlreiche Erinnerungsobjekte von Breslauern präsentiert.

Kooperation und Konfrontation
Der Ausstellungsrundgang endet mit einem Ausblick auf die aktuelle Situation vor allem zwischen Deutschland und Polen sowie der Tschechischen Republik. Kooperationsprojekte in Wissenschaft und Kultur sind Gegenstand der Wechselausstellung wie die zum Teil heftigen öffentlichen Debatten in Polen und Deutschland über Entschädigungsleistungen oder das "Zentrum gegen Vertreibungen". Eine Vielzahl von Exponaten und Filmdokumenten machen deutlich, dass dieses Thema seit den 1990er Jahren wieder verstärkt in der Öffentlichkeit diskutiert wird.
Auch die Ergebnisse der Studie "Flucht und Vertreibung aus Sicht der deutschen, polnischen und tschechischen Bevölkerung", die das Haus der Geschichte im Vorfeld der Ausstellung beim Institut für Demoskopie Allensbach in Auftrag gegeben hatte, werden vorgestellt. Im Ausgang öffnet die Ausstellung den Blick auf das aktuelle Weltgeschehen: Flucht und Vertreibung sind bis heute globales Schicksal für Millionen Menschen.

   

im Detail:

Bilder zur Ausstellung

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siehe auch:

Literatur zur Ausstellung

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