raumkunst - kunstraum

  

Die schönsten Innenräume

Gemeinsamer Reiseführer der Staatlichen Schlösserverwaltungen in Deutschland "Raumkunst - Kunstraum. Innenräume als Kunstwerke, entdeckt in Schlössern, Burgen und Klöstern in Deutschland "

Raumkunst - Kunstraum. Innenräume als Kunstwerke, entdeckt in Schlössern, Burgen und Klöstern in Deutschland. Verlag Schnell & Steiner (1. Aufl. 2005), ISBN 3795417325, € 14,90

Ein Raumkunstwerk ist - zunächst - ein Kunstwerk, das aus einem Raum besteht. Dieser Raum ist Bestandteil einer Gesamtanlage, die einen übergreifenden, architektonisch gestalteten Rahmen bildet, und ist über seine praktische Nutzbarkeit hinaus durch das Zusammenspiel vieler Gattungen von Kunst und Kunsthandwerk repräsentativ ausgestattet.
Mit dieser eindeutigen Begriffsbestimmung stellt der Führer "raumkunst - kunstraum" - der dritte in dieser hervorragend ausgestatteten Reihe - mehr als 200 Innenräume aus rund 100 Schlüssrn, Burgen und Klöstern vor. Die Spannweite reicht dabei von den Innenräumen mittelalterlicher Klöster und Burgen über fürstliche Prunkräume aus Renaissance und Barock bis zu den Kunstwerken des Historismus.
Der Band beginnt mit der oben zusammengefassten Definition aus der Feder von Helmut-Eberhard Paulus, dem Direktor der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten und Vorsitzendem des Facharbeitskreises Schlösser und Gärten in Deutschland.
In seinen Ausführungen weist er darauf hin, dass Raumkunstwerke in höherem Maß als andere Kulturgüter dadurch gefährdet sind, dass sie betretbar sind, dass also ihre Abnutzung ein besonderes Problem der Denkmalpflege darstellt. Dazu kommt, dass sie als Bestandteil des Gesamtkunstwerks Burg, Kloster oder Schloss in besonderem Maß auf den anderen teil dieses Gesamtkunstwerks bezogen sind.
Was Raumkunstwerke besonders gefährdet, ist - so ironisch das klingen mag - ihre Nutzung in der Vergangenheit. Ausstattungen wurden verändert oder gingen verloren, Nutzungskonzepte, besonder was den Zweck der Repräsentation angeht, wurden verändert. Dieser Wandel aber steht im Gegensatz zur gegenwätigen Präsentation, die immer nur einen bestimmten Zustand abbilden kann. Beschränkung auf die letzt-hinterlassene Ausstattung, Stilmischung oder der Mut zur Lücke sind die wesentlichen Möglichkeiten, das Dilemma zu lösen.
Raumkunstwerke sind Botschaften, eines ästhetischen Erlebnisses etwa oder einer ideologisch geprägten Aussage. Sie dokumentieren "die Geistes- und Sachwelt ihrer Entstehungszeit", sind "historische Denkmale für bestimmte Nutzungen und Funktionen" oder "künstlerische Anschauungsbeispiele für den hostorischen Wandel".
In einem einführenden Aufsatz weisen anschließend Johannes Eirichsen (Bayern) und Wolfgang Wiese (Baden-Württemberg) auf die Besonderheit dieser Auswahl hin: Da alle Objekte in staatlichem Besitz sind, handelt es sich in allen Fällen um "staatliche" Repräsentation im Rahmen der "Landesherrschaft" in Mittelalter und Neuzeit. Damit sind Räumlichkeiten des "einfachen" Adels oder des gehobenen Bürgertums ausgeschlossen und in diesem Band auch nicht enthalten.
Da alles fürstliche Handeln bis zum Ende des 18. Jahrhunderts immer auch staatliches Handeln war und es keinen Bereich gab, in dem der Fürst eben nicht in erster Linie Fürst war, gilt diese öffentlich-staatliche Funktion eben auch für die intimsten Rückzugsräume. Sie entstanden - wie das "petit appartement" Ludwigs XIV. oderdas Badhaus des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz in Schwetzingen - aus dem Bedürfnis heraus, sich dem höfischen Zwang der Repräsentationsräume zu entziehen. Sich freilich ganz über die Schranken des Hofzeremoniells hinwegzusetzen war dennoch weder geplant noch gewollt. Der Fürst blieb auch hier der öffentlichen Repräsentation verpflichtet.
Erst das 19. Jahrhundert konnte mit der "Privatisierung" auch der fürstlichen Familie auch privateste - und individuell gestaltete - Rückzugsräume schaffen. Die Traumwelt Ludwigs II. von Bayern markiert hier den äußersten Punkt, bis zu dem sich Privates von Öffentlichem trennen konnte. Und sein Schloss Herrenchiemsee war eben nicht mehr wie das Vorbild in Versailles öffentlicher Prunkraum, sondern privates Traumland.
Die Autoren geben anschließend einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung von den Innenräumen gotischer Burgen - Gnandstein und Kriebstein in Sachsen -, den großen repräsentativen Anlagen des Spätmittelalters - Nürnberg und Meißen -, den Adaptionen der italienischen Renaissance - Landshut der Torgau -, den Residenzen neuen Stils in der Frühzeit des höfischen Absolutismus, als, ebenfalls aus Italien, die Enfilöade Einzug hielt - München, Residenz - bis hin zur konsequenten Übernahme französischer Stilvorgaben in der Zeit von Absolutismus und Barock.
Schon das späte 18. Jahrhundert kehrte sich schließlich von der Überfeinerung des spätbarocken Pomps ab und schuf in klassizistischen Anlagen wie Ludwigslust (Mecklenburg-Vorpommern) oder Wörlitz (Sachsen-Anhalt) Refugien, in denen sich die "Natürlichkeit" des Lebens vor allem in einer intimen Einbettung in den umliegenden "Naturraum" des Gartens zeigte.
Die Autoren weisen jedoch auf einen Mangel hin, der die deutschen Anlagen (im unterschied zu vielen ausländischen) fast durchweg kennzeichnet: das Fehlen vpn Funktionsräumen, also von Dienstbotenzimmern, Wäschestuben, Gästezimmern und andeen Nebenräumen, die für das Funktionieren der fürstlichen Repräsentation unabdingbar waren. Sie sind in den langen Jahrzehnten seit dem Ende der ursprünglichen Nutzung verschwunden, wurden ausgeräumt, zerstört und nicht wieder aufgebaut und fielen so den verschiedensten Sparzwängen zum Opfer.
Der Band stellt mehr als 200 Objekte aus 100 deutschen Orten mit einem kurzen darstellenden Text und aussagekräftigen (durchweg aktuellen und farbigen) Bildern vor. Kurzinformationen geben die wesentlichen Details für Besucher.
Dass die Auswahl nicht alle 16 Länder umfasst, liegt nicht etwa daran, dass etwa Niedersachsen keine Schlösser mit repräsentativen Innenräumen hätte - man denkenur an Clemenswerth -. sondern an der Tatsache, dass in Niedersachsen wie in Nordrhein-Westfalen, in Schleswig-Holstein und im Saarland kine zentrale staatliche Verwaltung der Schlösser besteht, sondern dass die dortigen Objekte, wie im Fall von Schloss Benrath bei Düsseldorf, dezentral von Stiftungen verwaltet werden.
Ob der hervorragend ausgestattete und getextete Band allerdings wirklich als "offizieller Führer" der Schlösserverwaltungen apostrophiert werden sollte, ist fraglich. Obwohl eien "offizielle" Publikation der staatlichen Verwaltungen, ist er als "Führer" mit Großformat und 1,2 kg Gewicht sicher zu unhandlich. Gleichwohl ist er ein durchweg empfehlenswwerter Führer zu den einzelnen Stätten.

Raumkunst - Kunstraum.
Innenräume als Kunstwerke, entdeckt in Schlössern, Burgen und Klöstern in Deutschland. Offizieller Führer der Schlösserverwaltungen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen.
1, Aufl. 2005
Regensburg: Schnell + Steiner
256 S., zahlr. Abb.
ISBN 3-7954-1733-3 (Softcover); 3-7954-1732-5 (Hardcover). 14,90 €
 
weiterhin attraktiv:

Reisezeit Zeitreise zu den schönsten Schlössern, Burgen, Gärten, Klöstern und Römerbauten in Deutschland. Verlag Schnell & Steiner (3. aktual. Aufl. 2003), ISBN 3795413141, € 14,90
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