Märzunruhen
in Berlin 1848
Ausland
Deutschland.
Preußen. Berlin. Im Laufe eines Monats ist
in drei der ersten Hauptstädten der Welt des Depotismus
festeste Stütze, die Militärgewalt, der Volksmacht
erlegen. In keiner derselben ist jedoch die Militärgewalt
so entschlossen auf Seite des Throns gestanden, als hier
in Berlin und dennoch ist sie auch hier erlegen. Das Volk
war auf das Äußerste gebracht. Mehrere Tage hindurch
hatte das Militär meistens gegen Wehrlose gewüthet.
Alle dem Könige gemachten Vorstellungen wurden
mit Phrasen beantwortet; das Militär wüthete wie
zuvor. Endlich gab er den Forderungen um Preßfreiheit
und beschleunigte Einberufung des Landtages nach, als die
Abgeordneten Kölns mit dem Abfall der Rheinprovinz
drohten. Aber nach dieser Gewährung noch sollte das
große Mißverständnis vom 18. März
die Entrüstung über das Militär zum vollen
Ausbruch bringen.
Ein großes Mißverständnis war es allerdings,
daß große Truppenmassen zu einer Zeit aufgestellt
waren, da das Volk von Jubel erfüllt eine bessere Zukunft
begrüßte. Ein großes Mißverständnis
war es, daß die Militärgewalt sich gegen das
jubelnde Volk feindselig benehmen zu sollen glaubte.
Auf das große Mißverständnis hin ertönte
von allen seiten der Ruf: Waffen! Waffen! Barrikaden! Und
Alles eilt, Waffen zu holen und Barrikaden zu errichten.
Wie durch Zauberschlag stiegen die
Barrikaden empor. Jeder gab bereitwillig, was er hatte,
Thorflügel, Zäune, Wagen, Pfähle u.s.w. Selbst
königliche Beamte, Schriftsteller und Gelehrte arbeiteten
mit dem gemeinsten Tagelöhner im Bunde. Alle reichten
sich brüderlich die Hand. Die Frauen kochten Kaffee
und schnitten Brote und reichten diesen Lebensmittel auf
die Straße hinaus........
Neue
Zürcher Zeitung,
18. März 1998 (NZZ Online) vom
26. März 1848 - Sonderseite
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