Baden


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Badische Identität(en) - was Baden ausmacht

 

Das „alte“ Baden

Das alte Land Baden verdankt Umfang und Form dem Wunsch und dem Willen Napoleons, den Nachbarn im Osten, den deutschen Raum neu zu organisieren und damit dem französischen Einfluss zu öffnen. Nach dem Ende des Alten Reiches war einerseits die Fülle der deutschen Klein- und Kleinststaaten durch leistungsfähigere Mittelstaaten zu ersetzen, andererseits aber sollten diese Mittelstaaten, und hier besonders der unmittelbare Nachbar Baden soweit Frankreich – und Napoleon selbst – verpflichtet werden, dass eine enge Abhängigkeit begründet wurde.

Das bedeutete zunächst einmal die Installierung von drei Staaten in Deutschlands Süden. Der Markgraf von Baden, Karl Friedrich, der seit 1736 regierte, war dabei der einzige in Frage kommende Kandidat für den Westrand des neu zu gliedernden Deutschland. Die Kurpfalz war bayerisch, der Breisgau österreichisch. Dieses sollte eben durch die Neuordnung aus dem Reich hinausgedrängt werden, an jenem führte in der Osthälfte kein Weg vorbei.

Damit war die Zuweisung der Kurpfalz und zumindest langfristig des Breisgaus an Baden abgezeichnet. Das Maingebiet mit den ehemaligen Besitzungen des Bistums Würzburg und der Bodenseeraum mit denen des Bistums Konstanz stärkten den Wunschkandidaten Baden gegenüber seinem Nachbarn Württemberg. Die enge „Taille“ des badischen Gebiets freilich, die in Höhe der alten Residenzstadt Rastatt nur knapp 25 km misst, war durch alte württembergische Besitzungen, Calw, Hirsau, Neuenbürg, Wildbad, bereits vorgezeichnet.

An hauptsächliche Daten sind hier der Reichsdeputationshauptschluss von 1803, der die rechtsrheinische Kurpfalz und die Territorien der Bistümer, und die Rheinbundakte mit dem Frieden von Pressburg von 1806, die den Breisgau an Baden brachten, zu nennen.

Im 19. Jahrhundert bedeutete das für den badischen Staat zunächst die Herausforderung, äußerst verschiedene Landesteile und sehr heterogene Traditionen in ein neues Staatsbewusstsein integrieren zu müssen. Das hatte aber auch zur Folge, dass das Herausstreichen eines „Alt-Baden“ gegenüber einem „Neu-Baden“ keine Chance gehabt hätte, sondern den jungen Staat in erhebliche innere Zwistigkeiten gestürzt hätte.

Auf der anderen Seite aber waren die Traditionen so stark, dass immer Platz blieb für ein gewisses Ressentiment gegenüber der Hauptstadt Karlsruhe – allerdings blieb es beim bloßen Ressentiment, wirkliche Absetzbewegungen sind nirgends zu beobachten. Das hat einen seiner Gründe in der 1818 gegebenen Verfassung, die zwar noch nicht heutigen demokratischen Prinzipien entsprach, aber der II. Kammer der Landstände doch eine ganz wichtige Diskussionsfunktion zuwies. Diese wiederum entwickelte sich als politische Klammer für das gesamte Großherzogtum.

Am Unteren Neckar fühlte man sich, eingedenk der großen Traditionen des Kurfürstentums, weiter als Kurpfälzer und strich den Hauptstadtcharakter Mannheims gegenüber Karlsruhe heraus. Im Breisgau fühlte man sich als Vorderösterreicher und als Hort des Katholizismus gegenüber dem protestantischen Fürstenhaus. Am Bodensee war man „hinter dem Berg“ – die Wege waren lang in die Residenz, was schließlich auch der badische Prinz in seiner ihm zugewiesenen Salemer Residenz schmerzlich feststellen musste. Kurpfalz und Vorderösterreich aber waren positive Anknüpfungspunkte. Niemand in Lahr kam auf die Idee, sich in Distanz zum badischen Haus als Nassauer zu fühlen. Im Gegenteil – die politische Tradition der Stadt ließ das Bürgertum seine politische Zukunft in der liberalen badischen Verfassung finden.

Die Regierung des Großherzogs endete in der Revolution von 1918, Baden war Republik. Neugliederung der Länder war nach dem 1. Weltkrieg allenfalls in Thüringen mit seinen unüberschaubaren sächsischen Fürstentümern ein Thema. Auch die Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten rührte nicht an den alten Grenzen, als der demokratische Staatspräsident durch den Reichsstatthalter der NSDAP abgelöst wurde. Erst als in den ersten Jahres des 2. Weltkriegs das Elsass annektiert wurde, schien Baden in einem Oberrheindistrikt aufgehen zu können.

Am Ende des 2. Weltkriegs war Deutschland in Besatzungszonen unter den Siegermächten aufgeteilt. Da die französische Exilarmee unter General de Gaulle bei der Befreiung Frankreichs mitkämpfte und auch deutsche Städte im Südwesten einnahm, wurde ihnen von den Westmächten im Nachhinein eine eigene Besatzungszone zugestanden. Das war das linke Rheinufer und der Südteil der Länder Württemberg und Baden. Die Autobahn, die heutige A 8, für die Amerikaner eine wichtige Verbindungsstraße, bildete die Grenze. Die Neubildung von Ländern, das Aufgreifen der föderalistischen Traditionen im besiegten Deutschland, war Sache der Alliierten.
So bildete die amerikanische Militärregierung aus den nördlichen Teilen Badens und Württembergs ein neues Bundesland Württemberg-Baden mit der Hauptstadt Stuttgart. Keine Frage, dass neue Länder auch leistungsfähig sein sollten, keine Diskussion über kleinstaaterische Traditionen. Karlsruhe hatte seine Hauptstadtfunktion verloren, die Mannheimer konnten ihren alten Eifersuchts-Zorn jetzt von Karlsruhe ab- und auf Stuttgart wenden.

Anders die französische Politik. Sie setzte auf kleinere Einheiten, denn nicht so sehr die Leistungsfähigkeit, sondern eher die Kontrollierbarkeit stand im Vordergrund. Südbaden wurde Land Baden, Südwürttemberg wurde mit Hohenzollern vereint zum Land Südwürttemberg-Hohenzollern. Hier wurde Tübingen Hauptstadt, dort Freiburg.

Das war die Grundlage, auf der in den frühen 1950er Jahren über die Neuordnung der Länder diskutiert wurde. Für Württemberg-Baden hätte das die neuerliche Aufteilung bedeutet, für (Süd-)Baden den Verlust der gerade erst neugewonnenen Staatlichkeit. Es steht zu vermuten, dass in Tübingen die Wiedervereinigung mit dem württembergischen Stammland alternativlos war.

Allen altbadischen Ressentiments zum Trotz hat sich die Vereinigung zum Bundesland Baden-Württemberg in allen Teilen als Erfolg erwiesen. Das Land mit all seinen regionalen Unterschieden zieht aus seiner Vielfalt nur Gewinn, mögen auch an Stammtischen noch Anzüglichkeiten über den jeweiligen Nachbarn noch kursieren. „Badner“ und „Württemberger“ (oder „Schwaben“) sind dabei austauschbare Begriffe. Die tatsächlichen Unterschiede bleiben Ergebnisse wissenschaftlicher und volkskundlicher Untersuchungen.

Baden und Württemberg lebten in ihrer alten Gestalt noch fort im Zuschnitt der Regierungsbezirke: Baden war die Summe der Regierungsbezirke Süd- und Nordbaden mit Freiburg und Karlsruhe, Württemberg die Summe von Nordwürttemberg und Südwürttemberg-Hohenzollern mit Stuttgart und Tübingen.

Erst die Verwaltungsreform von 1972 beendete diese Tradition. Die Regierungsbezirke wurden flächenmäßig abgerundet, ehemals badische Gebiete kamen zu den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen, ehemals württembergische Gebiete zu den Regierungsbezirken Freiburg und Karlsruhe. Einer der „Höhepunkte“ in der Verwaltungsreform war der Zusammenschluss der badischen Stadt Villingen mit der württembergischen Stadt Schwenningen zu Villingen-Schwenningen.

Vorwort zu der in Arbeit befindlichen Publikation "1000 km Baden - Tradition trifft Innovation"

   

 

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