Deutschordensmuseum Bad Mergentheim


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Vor 4.500 Jahren. Im Taubertal zuhause
 

Das Museum hat „Leichen im Keller“ - Eröffnung einer neuen Abteilung zur Jungsteinzeit im Taubertal

Die neue Museumsabteilung „Vor 4.500 Jahren. Im Taubertal zuhause“ im Deutschordensmuseum Bad Mergentheim verspricht –in zwei mittelalterlichen Gewölbekellern des Schlosses – interessante und hochaktuelle Blicke auf die hiesigen Lebensbedingungen der Menschen in der späten Jungsteinzeit. Das Taubertal weist zum einen die höchste Funddichte aus der Zeit der Schnurkeramik im gesamten süddeutschen Raum auf, gleichzeitig gibt es für den Übergang zur Bronzezeit im Taubertal bisher nur einen einzigen Metallfund; beides wird nun in der neuen Abteilung angemessen präsentiert. Hat die Tauberregion wegen ihrer zahlreichen Fundorte aus der Zeit der Schnurkeramik bisher nur bei Archäologen eine herausragende Bedeutung erfahren, so kann ab sofort jeder Museumsbesucher das „liebliche Taubertal“ auch von seiner prähistorischen Seite kennenlernen.

Ausstellungshöhepunkt ist das vor 75 Jahren in Althausen entdeckte Hockergrab (um 2.500 v. Chr.) mit vier menschlichen Skeletten, das hier seinen endgültigen Ruheplatz gefunden hat. Die Ausstellung wurde vom Verein Deutschordensmuseum e. V. konzipiert, gestaltet und finanziert.

In der neuen Abteilung der Dauerausstellung wird die Endphase der Jungsteinzeit mit der Kultur der Schnurkeramiker, die von der Schweiz über Mitteleuropa, Südskandinavien bis in den Süden Russlands verbreitet war, beleuchtet. Objekte aus der Tauberregion aus den Sammlungen des Museums sowie aktuelle Funde bis in das Jahr 2014 verdeutlichen das Leben von 2.800 bis 2.200 vor Christus. Die Menschen waren zu dieser Zeit bereits sesshaft geworden, lebten als Bauern und Viehzüchter in festen Siedlungen. Das Taubertal weist mit etwa 40 Fundstellen und Skelettresten von über 260 Personen die höchste Funddichte aus der Zeit der Schnurkeramik im gesamten süddeutschen Raum auf und ist damit für die Forschung und Wissenschaft von höchstem Interesse. Töpferwaren, Werkzeuge, Pfeilspitzen und Schmuck aus der Region geben Zeugnis vom Leben der Menschen im Übergang zur Bronzezeit, die durch den einzigen Metallfund im Taubertal für diese Epoche dargestellt wird: ein kleiner grüner Ring aus Kupfer mit einem Durchmesser von 1,1 cm.

Foto: Holger Schmitt/dom

„Loch im Kopf“
Eine weitere Besonderheit des Taubertals wird durch die Präsentation eines trepanierten Schädels aus Tauberbischofsheim abgebildet – der Kultur der Schnurkeramik zugehörig. Das Deutschordensmuseum ist das einzige Museum, das diese Operationstechnik darstellt. Bis 2014 wurden im Taubertal acht verheilte Trepanationen (Kopföffnungen) entdeckt, dies spricht für die große Kunstfertigkeit der hiesigen Steinzeitchirurgen, man kann von einer Art „Chirurgenschule“ im Taubertal sprechen.

Das Althäuser Hockergrab
Bei der Entdeckung des Grabes im Jahr 1939 in Althausen war der Fund mit den vier menschlichen Skeletten eine echte Sensation. Trotz jüngerer, spektakulärer Ausgrabungsfunde an den verschiedensten Orten in Deutschland hat das Althäuser Hockergrab nicht an Bedeutung verloren und wird für Museumsbesucher ein besonderer Anziehungspunkt werden. Die Rekonstruktion führte Prof. Joachim Wahl vom Landesamt für Denkmalpflege aus. Vor Einbettung der Skelettknochen wurde diese von Prof. Wahl untersucht und präpariert. Nach einem einzigen Foto von der Fundsituation schuf er eine würdige, beeindruckende Szene in der angemessenen Atmosphäre der historischen Räume und mit einer perfekten Beleuchtung. Den vor 4.500 Jahren Verstorbenen wird Respekt erwiesen – hier wird nichts zur Schau gestellt!

Das Althäuser Hockergrab. Foto: Holger Schmitt/dom

Die DNA-Analyse zur Bestimmung der verwandtschaftlichen Bezüge der Bestatteten ergab ein überraschendes Ergebnis: Seit Jahrzehnten waren die vier Individuen für eine Familie aus Vater, Mutter und zwei Kindern gehalten worden. Nun sehen wir eine Patchwork-Familie“ vor uns, die sich liebevoll in den Armen liegt.

Ausstellungsmacher
Die Ausstellung ist ein langjähriges Projekt des Vereins Deutschordensmuseum e.V. Verwirklicht wurde sie mit wissenschaftlicher Unterstützung durch das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Prof. Joachim Wahl und Dr. Andreas Thiel) und in Kooperation mit der Deutschordensmuseum GmbH (Museumsdirektorin Maike Trentin-Meyer). Federführend von Seiten des Museumsvereins waren Heidi Deeg, Museumsbeauftragte des Vereins und Gernot-Uwe Dziallas, 1. Vorsitzender des Vereins. Einen wichtigen Beitrag leistete Architekt Günther Deeg bei der Raumgestaltung und mit Entwürfen der sechs Ausstellungsvitrinen (Sonderanfertigungen). Vorstandsmitglieder trugen die Entwicklung des Ausstellungskonzepts mit und griffen bei der Reinigung der Kellerräume eigenhändig zu Eimer und Besen. Die Ausstellung wurde vom Verein konzipiert, gestaltet und finanziert. Dies ist in der Geschichte des 1930 gegründeten Museumsvereins eine herausragende Leistung, die nur möglich wurde durch enormes ehrenamtliches Engagement, eine zweckgebundene Erbschaft und die großzügige Unterstützung von über 30 Spendern.

Im ehemaligen Bezirksheimatmuseum im Mergentheimer Schloss - Träger war der Museumsverein - gab es schon ab 1937/38 eine kleine vor- und frühgeschichtliche Ausstellung, zu welcher 1949 das Althäuser Hockergrab kam. Mit der schwerpunktmäßigen Verlagerung auf die Darstellung der Geschichte des Deutschen Ordens im Museum kamen Anfang der 1970er Jahre die prähistorischen Funde ins Depot. Aus diesem vorhandenen Fundus an Exponaten konnte der Museumsverein nun bei der Neukonzeption schöpfen. Mit weiteren wichtigen Leihgaben hat das Archäologische Landesdenkmalamt das Ausstellungsvorhaben ergänzend unterstützt.
Mit der Eröffnung soll kein Schlusspunkt gesetzt werden. Vorgesehen ist eine Fortschreibung der Ausstellung durch die Präsentation von neuen, aktuellen Ausgrabungsfunden aus dem Taubertal. Die Ausstellungsfläche ist vorhanden und wäre sogar noch erweiterbar.

Mit der Eröffnung wurde gleichzeitig der Ausstellung vom Verein Deutschordensmuseum e.V. an die Deutschordensmuseum GmbH übergeben - der Museumsverein ist Mitgesellschafter, neben dem Land Baden-Württemberg, der Stadt Bad Mergentheim und dem Main-Tauber-Kreis.

Verein Deutschordensmuseum e.V. /Heidi Deeg, 30. April 2015
Deutschordensmuseum GmbH/7. Mai 2015

     

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